Liquiditätsprobleme

Die Financial Times berichtet, dass die NRW.Bank, eine staatliche Förderbank des Landes NRW, auf überbordender Liquidität aus Ausfallfonds-Rücklagen der Studiengebühren sitzt. Das Thema ist emotional aufgeladen, und leider auch nicht ganz einfach.

Um die Studiengebühren sozialverträglicher zu machen, hat NRW die Möglichkeit geschaffen, dass die Studenten ihre Gebühren durch die NRW-Bank zu günstigen Konditionen vorfinanzieren zu lassen. Wir werden nachher noch sehen, dass diese Konditionen wirklich äußerst wettbewerbsfähig sind, was allerdings Probleme schafft. Zusätzlich wurde bestimmt, dass BaföG-Empfänger, die ohnehin schon durch BaföG-Rückzahlungen belastet sind, bei der Rückzahlung des Darlehens von bestimmten, sehr niedrigen Kappungsgrenzen profitieren. Man nimmt also während des Studiums fleißig Kredit auf, und muss ihn nachher nicht oder nur teilweise zurückzahlen. Eine tolle Sache für die BaföG-Empfänger. Man rechnet daher damit, dass gut ein Drittel der Kreditnehmer ihren Kredit nur teilweise oder gar nicht tilgen werden. Solche Ausfallraten würde die NRW.Bank natürlich nicht überleben. Wenn jemand nicht zurückzahlt bekommt sie ihr Geld trotzdem, und zwar aus einem von ihr verwalteten Ausfallfonds. 18 % der Studiengebühren (aller Studierenden, also nicht nur der Kreditaufnehmer) gehen nicht an die Hochschulen, sondern in diesen Fonds.

Jetzt hat ein Dortmunder Controlling-Professor nachgerechnet und festgestellt, dass dieser Ausfallfonds völlig überdimensioniert ist. Andreas Pinkwart, Bildungsminister des Landes, nennt ihn ironischerweise „solide kalkuliert“. Das ist wohl wahr. Wirklich solide. Denn selbst wenn alle vergebenen Kredite notleidend würden, wäre die NRW.Bank nicht zu 100 Prozent, sondern irrsinnigerweise zu 200 % abgesichert. Man will jetzt mit der Bank das Gespräch suchen, ob eine Senkung der Ausfallfonds-Zahlungen möglich ist. Im Gespräch sind 13 statt 18 %. Die Differenz käme direkt bei den Hochschulen an.

Die Sache mit dem viel zu großen Ausfallfonds ist allenfalls kurios. Zu solchen Gelegenheiten kommen aber wieder die viel grundsätzlicheren Probleme des NRW-Modells auf den Tisch. Den privaten Banken ist das Angebot der NRW.Bank zum Beispiel ein Dorn im Auge, weil sie dadurch weniger eigene Studienfinanzierungs-Darlehen verkaufen. Die Konditionen der NRW.Bank sind so gut, dass nur die am schärfsten kalkulierten Produkte da mithalten können. Kappungsgrenzen und Ausfallfonds gibt es bei den Privaten natürlich nicht. Wer mit ihnen einen Vertrag abschließt, kann sich später allenfalls durch Privatinsolvenz vor der Rückzahlung drücken. Die Privaten müssen dieses Ausfallrisko wie bei jedem anderen Kredit auch in ihren Zinssatz mit einrechnen. Bei der Dresdner Bank sind es 5,89 %. Obwohl sie voll abgesichert wäre, nimmt auch die NRW.Bank Zinsen für ihr Studienbeitragsdarlehen, weil sie wenigstens den Anschein wahren muss, dass sie marktwirtschaftlich agiert. 5,9 % sind das im Moment noch. Der Satz müsste eigentlich bald steigen, weil die Refinanzierungskosten (die Bank muss das Geld welches sie verleiht am Kapitalmarkt aufnehmen und zahlt dafür Zinsen) nicht zuletzt durch die Subprime-Krise gestiegen sind. 5,9 % dürften bereits jetzt nicht mehr kostendeckend sein, alldieweil davon 2,9 % Verwaltungsgebühren sind. Für 3 % kriegt auch eine Bank mit Bürgschaft des Landes NRW heute kein Geld mehr am Kapitalmarkt. Jetzt hat man sich überlegt, dass man den armen Studenten vielleicht etwas Gutes tun könnte, und diesen Zinssatz trotzdem weiterhin konstant hält. Außerdem befürchtet man andernfalls Proteste durch Studiengebührengegner. Die Differenz möchte man aus dem Ausfallfonds entnehmen. Die Privatbanken laufen Sturm dagegen, denn das ist Wettbewerbsverzerrung.

Man wird diesen Konflikt nicht auflösen können. Entweder macht man Marktwirtschaft, dann darf es auch keine Kappungsgrenzen mehr geben, oder „sozialverträgliche“ Studiengebühren. Beides zusammen wird schwierig. Mich würde noch dringend interessieren, ob für die NRW.Bank überhaupt unterschieden wird zwischen Krediten, bei denen am Ende des Studiums klar ist, dass wegen Kappung keine oder nur teilweise Rückzahlung erfolgt, und Krediten, die später wegen Insolvenz des Schuldners ausfallen. Werden letztere auch aus dem Ausfallfonds beglichen? Dann hätte die NRW.Bank ja tatsächlich null Risiko. An und für sich würde man sagen, dass sie dieses Risiko wie alle anderen Banken auch über ihren Zinssatz zu tragen hat. Als langfristiger Crazy-Scientist-Vorschlag wäre ja denkbar, dass der Ausfallfonds auch an private Banken zahlen könnte, damit diese auch die gesetzlichen Kappungsgrenzen anbieten können.

 

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