Der eigene DSLAM – mit Black Jack und Nutten

Die Aufgabe bestand darin, Internet in das etwa 200 Meter vom nächsten Telefonanschluss entfernt liegende Wohnhaus zu bringen bzw. das Wohnhaus mit unserem vorhandenen LAN im Betriebsgebäude zu verbinden. Auf solchen Entfernungen scheidet Ethernet über Kupferkabel normalerweise aus, wenn man nicht mit Extendern experimentieren möchte. Die Standardlösung besteht normalerweise aus Glasfaser-fähigen Switches und einem Lichtwellenleiter. Den hätten wir durch den Abwasserkanal oder durch vielleicht vorhandene Leerrohre auf dem Grundstück legen können. Unser Elektriker schätzte die Kosten auf etwa 1500 Euro. Ich hatte allerdings eine Idee, wie es noch günstiger ginge: Zwischen den beiden Gebäuden liegen bereits Kupferdoppeladern. Man könnte da ein VDSL-Signal drauflegen, was auf der kurzen Entfernung für 100 MBit/s gut sein müsste…

Die Firma Allnet aus Germering verkauft in Deutschland entsprechende Geräte unter dem Produktnamen ALL126. Beide verwenden den Infineon Vinax-Chipsatz, mit dem auch die Deutsche Telekom ihr VDSL-Netz aufgezogen hat. Das ALL126AS2 ist das Slave-Modem, es entspricht von der Funktion her einem normalen VDSL2-Modem. Die spannenden Sachen passieren am Master-Modem ALL126AM2. Hier kann sich der Hobby-Telekommunikationssystemelektroniker austoben und an all den Stellschrauben drehen, mit denen sonst nur Telekom-Mitarbeiter umgehen, zum Beispiel Zielübertragungsraten, Profile und Fastpath. Wie ein eigener DSLAM für den Heimbetrieb – die Bezeichnung DSLAM trifft auf das Master-Modem allerdings nicht wirklich zu, weil es nicht die Datenströme mehrerer Gegenstellen auf eine weiterführende Leitung multiplexen kann, sondern nur eine Punkt-zu-Punkt-Verbindung aufbaut.

VDSL2-Modems ALL126AM2 und AS2 an der kurzen Telefonleitung zum Test.

Diese tolle Hardware hat Allnet übrigens nicht selbst erfunden. Es scheint sich im wesentlichen um eine Infineon-Referenzimplementation zu handeln. Auf einem 175 MHz MIPS-Prozessor des Typs ADM5120 mit 16 MB RAM und 4 MB Flash-ROM läuft ein Linux-Kernel der Version 2.4.20. Tatsächlich zu bauen scheint die Dinger die taiwanische Netsys, die die Geräte als NV-600L/R anbieten. In anderen Teilen der Welt kennt man sie beispielsweise auch als SP3501BM/BS von Micronet.

Die Modems kommen jeweils mit Netzteil, einem LAN-Kabel und einem Telefonkabel. Neben der VDSL-Strecke ist auch ein 4-Port-Switch vorhanden. Wer möchte kann auf der VDSL-Leitung auch noch telefonieren, die Modems verfügen dazu über einen integrierten Splitter. Es gibt kein gedrucktes Handbuch, sondern lediglich ein PDF auf CD, und nur auf Englisch. Auch das Webinterface steht ausschließlich auf Englisch zur Verfügung. Die Hilfe zu den gängigen Funktionen ist ausreichend, vor allem bei den eher esoterischen VDSL-Optionen aber praktisch nicht vorhanden. Okay, es gibt dort Dinge, an denen ohnehin nur ein Ingenieur drehen sollte, am besten mit Schwerpunkt Nachrichtentechnik. Die gesamte Konfiguration erfolgt über dieses Webinterface. Des weiteren ist ein Anschluss für eine serielle Schnittstelle vorhanden, über die man wie ich weiß spannende Dinge tun kann.

Die Geräte sind nicht nur VDSL2-Modems, sondern auch vollwertige NAT-Router, die so ziemlich alles bieten, was man in einem Linux-basierten Embedded-Router heute erwarten kann, inklusive Funktionen für Virtual Server und DMZ. Wer möchte, kann zusätzlich zur VDSL-Strecke ein weiteres DSL- oder Kabelmodem anschließen. Ich habe auf diese Möglichkeit verzichtet und stelle die Verbindung zu unserem T-DSL 1000 Anschluss über einen dedizierten Linux-Router her.

Per Default ist interessanterweise ein japanischer Bandplan eingestellt. Der Bandplan sagt, auf welchen Frequenzen die Modems pfeifen dürfen, denn nichts anderes ist VDSL: Auf intelligente Art hochfrequente Pfeiftöne von sich geben und hoffen, dass die Gegenseite das Signal aus dem Rauschen herausfiltern kann. Meine Version des Webinterfaces hat leider für die zur Verfügung stehenden Bandpläne nur kryptische Kurzbezeichnungen. T-Com fährt auf ihren VDSL-Strecken das Profil 17a, nutzt also Frequenzen bis 17 MHz. Als Privatmann strebe ich natürlich ganz sportlich das Maximum an, was VDSL2 hergibt, nutze die vollen 30 MHz aus und erreiche so mit Profil 30a bis zu 100 Mbit/s symmetrisch. Bei den Bandplänen würde ich wirklich gerne wissen, was sich jeweils dahinter verbirgt. Das Webinterface bietet mir an: B07, B08, B12, B12_17, B13, B13_17. Diese Kürzel finden sich in dieser Form in keinem weiteren Dokument im Internet. Sie stehen für eine Kombination aus Bandplan und PSD-Maske. Die PSD-Masken begrenzen die Sendeleleistung der Modems auf bestimmten kritischen Frequenzen. Ich weiß, dass es Bandpläne für Koexistenz mit POTS oder ISDN gibt, ferner PSD-Masken die besondere Rücksicht auf eventuell nebenan laufende ADSL1/2-Übertragungen nehmen. Da ich auf der CuDA nur VDSL fahre, nicht telefoniere und auf nicht auf der Nachbarader ADSL betreibe, würde ich doch vermuten, dass ich eine PSD-Maske brauche, die keine Rücksicht auf ISDN, POTS oder irgendeine antiquierte sonstige Technik nimmt. Laut G.993.2 Anhang B gibt es sowas, aber welchen Bandplan muss ich dazu in meinem Webinterface einstellen? Eine komplette Seite mit VDSL-Konfigurationsoptionen verstehe ich überhaupt nicht: Was hat es mit dem LoopBack auf sich? Man kann dort "System Loop" oder "Lineside Loop" auswählen und aktivieren oder deaktivieren. Was ist das? Ich würde jetzt mal ins Blaue vermuten, dass es da um eine Testschaltung geht, bei der ein Ende der VDSL-Leitung kurzgeschlossen wird, damit das Modem sich selbst wieder hört?

Auf meiner 200-Meter-Leitung mit unbekanntem Querschnitt synchronisieren die Modems mit Standardeinstellungen nur 100 zu 80 Mbit/s, also nicht völlig symmetrisch. Versuchsweise habe ich am Target SNRM gedreht. Damit kann man sich selbst betrügen und zunächst mal eine höhere Syncrate raushauen. Man beraubt sich dabei allerdings der Sicherheitsreserven – bei Störungen geht der Sync leichter verloren. Und siehe da – bei Harakiri-mäßig niedrigem 3,5 dB Target SNRM syncen die beiden Vinaxe auf 100 Mbit symmetrisch. Ich werde in den nächsten Tagen mal beobachten, ob die Verbindung trotzdem stabil ist. Hier auf dem Grundstück habe ich ja theoretisch nur die Einstreuungen aus der Mittelwelle und keine Kabelbündel voller DSL-Signale der lieben Nachbarn, die mir in die Übertragung reinquaken können.

Zuguterletzt noch ein paar Grafiken aus dem Webinterface der Modems. Vielleicht interessant als Vergleich zu typischen VDSL2-Strecken der Deutschen Telekom, jedoch nur beschränkt mit diesen vergleichbar.

Daten einer VDSL2-Leitung, ca. 200 Meter lang, unbekannter Leitungsquerschnitt. Infineon Vinax 1.3 auf Allnet ALL126AM2/AS2
Die Bandkonfiguration im Profil 30a.

Daten einer VDSL2-Leitung, ca. 200 Meter lang, unbekannter Leitungsquerschnitt. Infineon Vinax 1.3 auf Allnet ALL126AM2/AS2
Anzahl der aufmodulierten Bits pro DMT-Träger.

Daten einer VDSL2-Leitung, ca. 200 Meter lang, unbekannter Leitungsquerschnitt. Infineon Vinax 1.3 auf Allnet ALL126AM2/AS2
Channel-Status.

Daten einer VDSL2-Leitung, ca. 200 Meter lang, unbekannter Leitungsquerschnitt. Infineon Vinax 1.3 auf Allnet ALL126AM2/AS2
Line-Status.

Daten einer VDSL2-Leitung, ca. 200 Meter lang, unbekannter Leitungsquerschnitt. Infineon Vinax 1.3 auf Allnet ALL126AM2/AS2
SNR-Werte Downstream.

Daten einer VDSL2-Leitung, ca. 200 Meter lang, unbekannter Leitungsquerschnitt. Infineon Vinax 1.3 auf Allnet ALL126AM2/AS2
SNR-Werte Upstream.

Update 9.5.09:

Inzwischen hatte ich Gelegenheit, in das Webinterface eines Speedport 300 HS reinzugucken, wo die Bandplankürzel im Klartext drinstehen. Die Zuordnung der Kürzel zu den Namen in der Norm G.993.2 ist wie folgt:

Kürzel G.993.2 Beschreibung ALL126
B05 997-M2x-A 997 ist ein Bandplan für symmetrische Übertragungen. Diese Variante dient der Koexistenz mit POTS und ADSL.  
B06 997-M2x-M Bandplan für symmetrische Übertragungen und Koexistenz mit POTS und Annex-M ADSL.  
B07 998-M1x-A 998 ist ein Bandplan für asymmetrische Anwendungen. Dieser hier nimmt auf POTS und ADSL Rücksicht.  X
B08 998-M1x-B Bandplan für asymmetrische Übertragungen und Koexistenz mit ISDN und ADSL.  X
B09 998-M1x-NUS0 Bandplan für asymmetrische Übertragungen. NUS0 bedeutet, dass hier keine Rücksicht auf Telefon oder ADSL genommen wird.  
B10 998-M2x-A 998er Bandplan für Koexistenz mit POTS und ADSL.  
B11 998-M2x-M 998er Bandplan für Koexistenz mit POTS und Annex-M ADSL.  
B12 998-M2x-B 998er Bandplan für Koexistenz mit ISDN und ADSL. Wird u.a. von T-Com genutzt.  X
B13 998-M2x-NUS0 998er Bandplan ohne Rücksicht auf andere ADSL-Teilnehmer.  X
B13_17   Das Speedport schweigt sich aus, was sich hier hinter versteckt.  X

Das 300 HS kennt darüber hinaus noch einige weitere Bandpläne ohne Kürzel, darunter den 997-M2x-NUS0. Das ist derjenige, den man eigentlich brauchen würde, wenn man ein ALL126 privat betreibt: Bandplan 997 für symmetrische Datenraten, keine Rücksicht auf das Upstream-Band 0. Leider taucht genau dieser in der Liste, die das ALL126 Master-Modem anbietet, nicht auf.Die Auswahl ist hier ganz allgemein sehr begrenzt. Ich weiß nicht, ob das an der Software oder an einer Hardware-Limitierung der verwendeten Vinax-Variante liegt.

Die neueste Firmware-Version für das ALL126 lässt nicht mehr alle Kombinationen zwischen Profil und Bandplan zu. Im Profil 30a muss man jetzt entweder den amerikanischen Annex A M1_EU32 oder den japanischen Annex C_8K nehmen. Die schmutzige Wahrheit ist nämlich: Die bisher genannten 997er und 998er sind auf eine Grenzfrequenz von 12 MHz normiert. Ihr Verhalten jenseits davon ist laut Standard undefiniert. Wenn man es völlig richtig machen wollen würde bräuchte man den Plan 997E30-M2x-NUS0, der 30 MHz Grenzfrequenz zulässt. Diesen bieten aber weder das ALL126 noch das 300 HS an.

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15 Antworten zu Der eigene DSLAM – mit Black Jack und Nutten

  1. kju sagt:

    Interessantes Gerät. Ich habe heute den Master bekommen und warte jetzt noch auf Speedport 300HS welches ich damit verheiraten will. Mal sehen ob das klappt.

    Wenn man im System nachguckt kann man übrigens feststellen, daß das Gerät bei Profil 30a immer den Bandplan C_8K auswählt, das ist im Skript fest kodiert.

  2. kju sagt:

    Ich hab mal mit dem Binary gespielt, welches den Bandplan und das Profil einstellt. Es meckert unzulässige Kombinationen anscheinend an.

    Möglich sind folgende Kombination:

    8a/8b/8d mit A_M1_EU32, B_B07, B_B08, B_B12, X1, X13

    X1 und X13 sind zwei unbekannte Bandpläne, entsprechend ihrer Nummer. 13 könnte B_B10 sein, das würde von der Nummer passen (B_B08 ist 11).

    8c scheint in keiner Kombination zu gehen.

    12a mit A_M1_EU32, B_B07, B_B08, B_B12, X1, X13

    12b mit A_M1_EU32, B_B08, B_B08, B_B12, B_B13, X1, X13

    17a mit B_B07, B_B08, B_B12, C, X13

    17b mit B_B12

    30a mit A_M1_EU32, C_8K

    Es gibt also ein Profil (8c) und zwei Bandpläne (B12_17, B13_17) die anscheinend in gar keiner Kombination funktionieren. Seltsam.

  3. Kai sagt:

    Hi! Scheint ein schönes Gerät zu sein. Muss man bei dem Client-Modem auf das Allnet-Gerät zurückgreifen oder kann man hier z.B. auch eine Fritz!Box einsetzen?

  4. echoray sagt:

    Es müsste auf der Clientseite alles gehen, was VDSL2 kann. Probiert hab ich das 300HS von T-Com. Man muss evtl. im Webinterface des Clientmodems das richtige Profil usw. einstellen.

  5. AK sagt:

    ich habe eigentlich genau das gleiche problem. allerdings schreckt mich etwas der gesamtpreis von ca. 400 euro. ist es eigentlich nicht moeglich, anstelle des allnet slave modems ein beliebiges anderes vdsl modem zu benutzen?
    vielleicht hat ja jemand einen hinweis?!

  6. echoray sagt:

    Wie schon gesagt, als Client/Slave kann auch zum Beispiel das 300HS von T-Com genommen werden. Man muss allerdings soviel Ahnung haben, dass man in der Lage ist, ins Webinterface zu kommen und dort die zum Allnet-Gerät passenden Einstellungen vornzunehmen.

  7. Mensch sagt:

    Ich hab gestern zwei Modems bei ebay geschossen. Für 2 Euro!!!!

  8. Viktor sagt:

    Sehr interessantes Thema. Ich frage mich ob die Master und Slave Geräte sich sowohl in der Hardware als auch in der Soft- bzw. Firmware unterscheiden oder ob nur die Firmware den unterschied macht. Wenn nur die Firmware bestimmt ob das Ding nun Master oder Slave/Client ist dann könnte man evtl. einen 300HS zum Master umbiegen?

  9. LALA sagt:

    ich versuche eine Fritzbox 7390 damit an laufen zu bekommen leider ohne erfolg.
    Sowohl das ALL126AM2 wie auch die Fritzbox machen ein Sync gegen mein Messgeraet … aber zusammen spielen sie tot.
    Ich habe die neue firmware von 01/2011 drauf.

    • Ralf sagt:

      Hallo, lange her. Würde das auch gerne gegen meine 7490 laufen lassen. Bekomme das auch nicht hin. Welche Firmware brauche ich

  10. Christian sagt:

    Eine Ãœbersicht der gültigen Codecs ist hier zu finden:

    http://www.netsys.com.tw/support/manual/NV-600%20users%20manual%20.pdf

    Allerdings passen die Kreuze in der Tabelle nicht umbedingt zu 100%. Ich erreiche mit schlechter und teilweise unverdrillter Leitung aus den 40er Jahren und 7 Klemmstellen auf 500 Metern stabile 6 MBit in beiden Richtungen nur mit dem VDSL2 Profile8b in Kombination mit Annex B 997-M2x-A (B05), was dort nicht vorgesehen ist.

  11. samba sagt:

    Also bei mir hatte ich die besten Ergebnisse mit VDSL2 Profile8c und Annex B 997-M2x-A (B05).

  12. cabby sagt:

    Wirklich interssant,

    such solch ein Gerät für ADSL2, um Router oder Modems auf Funktion zu testen.

    Da hier ja Spezialisten am Werk sind, hat da jemand einen Tipp für mich? Natürlich kenn e ich Geräte von Argus und Co. die aber für mich als Privatperson etwas zu teuer sind.

    Danke

  13. jonny sagt:

    Moin,
    hat jemand von euch schon mal das Zusammenspiel von dem 126AM2 und einer FritzBox ausprobiert?
    Ich bin grad am verzweifeln, will Internet über den Master direkt an eine Fritz Box (7390) am anderen Ende weitergeben.
    Wäre über Tipps sehr dankbar 🙂

  14. Pingback: Profil 30a — geht das auch mit G.vector? | blogdoch reloaded

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