Ab wann kann man von Youtube-Videos leben?

Dieser Artikel wird gerne über die Google-Suche mit Begriffen wie „kann man von Youtube leben“ gefunden. Hier deshalb eine kurze und knackige Antwort auf die Frage an die Suchmaschine: Ja, man kann. Wenn man es schafft, jeden Monat zwischen 2 und 3 Millionen Views ranzuschaffen. Unterhalb dieser Grenze muss man zumindest noch einen Nebenjob (oder einen Hauptjob) haben.


 

Drüben bei Wikipedia stellte jemand die interessante Frage, „in was für Spannen denn  Leute durch Inhalte auf Youtube Geld bekommen“.

Nun, die Frage ist eigentlich schnell beantwortet. Die allermeisten Youtube-Partner sind kleine Lichter, die sich mit ihren Videos wenn es gut kommt ein kleines monatliches Zubrot verdienen können. Ich habe die Ausgangsfrage aber mal als erweiterten Rechercheauftrag genommen, und mich gefragt: Ab wann kann man eigentlich allein von Youtube leben? Ich bin alles andere als ein Brancheninsider. Meine Qualifikation zu diesem Thema beschränkt sich darauf, dass ich – wenn man es mal vornehm ausdrücken möchte – schonmal Auftragsproduktionen im Special-Interest-Bereich hergestellt habe, die dank Medienberichterstattung im Einzelfall auch schonmal mehr als 10.000 Views auf Youtube erzielt haben. Peanuts also. Aber ich darf mich somit auch „Creator“ schimpfen – so nennt Youtube liebevoll die Leute, die Videos auf die Plattform hochladen.

Über Geld spricht man nicht, und in fact ist es Youtube-Partnern sogar im Kleingedruckten verboten worden, beim Thema Einnahmen aus dem Partnerprogramm zu sehr ins Detail zu gehen. Außerdem muss man eigentlich erstmal einen sozusagen prototypischen Youtuber finden, der keine weiteren Einnahmequellen hat. Sowas gibt es eigentlich gar nicht. Hinter einem Gronkh zum Beispiel, um mal einen der großen deutschen Player zu nennen, steckt eine GmbH mit Gronkh und Sarazar als Geschäftsführer, die allerdings noch allerhand andere Geschäftsfelder beackert. Die Bude ist übrigens erst seit 2011 profitabel und krebste vorher erstmal eine Weile an der Grenze zur Überschuldung herum.

Einen interessanten Datenpunkt lieferte irgendwann mal Brooke Lawson (aka Dodger), die sozusagen tatsächlich als Ein-Frau-Unternehmen unterwegs ist, allerdings unter den Bedingungen des amerikanischen Marktes. Sie erklärte sinngemäß „Reich werde ich nicht. Ich kann so gerade von Youtube leben. Manchmal wird das Geld etwas knapp, weil die Monatseinnahmen stark schwanken“.
Von solchen Schwankungen berichten auch andere Youtube-Partner. Die Einnahmen schwanken trotz konstanter View-Zahlen und unveränderter Werbe-Einstellungen oft tageweise völlig undurchschaubar. Mal verdient man pro View viel Geld (im Sinne von ca. 2 Cent pro View), und mal sehr wenig.

Also gut, rechnen wir es mal durch: Im Falle Dodger haben wir es mit zwei Channels zu tun, PressHeartToContinue und DexterityBonus. Beide zusammen kommen auf etwa 2 Millionen Views pro Monat. Aber auch hier gibt es weitere Einnahmequellen, die nicht direkt von Google kommen: Sie macht Moderation für Polaris und vielleicht gelegentlich die eine oder andere Kollaboration. Merchandising nicht vergessen. Und wenn das Geld wie beschrieben einmal knapp wird, gibt es auch mal paid promotion – sie macht dann gegen Geld Werbung für irgendwas in ihren Videos. Und wenn man sich mal anschaut, was für Nippes von ihren Fans an die Postbox für die Fanmail geschickt wird, denkt man sofort „das stellt ja auch einen Wert an sich dar. Zumindest muss sie von ihren Youtube-Einnahmen keine wärmenden Hoodies mehr kaufen“.
Was bei all diesen Nebeneinnahmen tatsächlich herumkommt vermag ich aus der Ferne nicht zu bestimmen. Es gibt in den USA auch bis heute keine Liste mit Tariflöhnen für Screen Actors in New Media-Produktionen. Im schlechtesten Fall gilt der gesetzliche Mindestlohn im Bundesstaat Kalifornien.
Wichtig ist noch eine kleine rechtliche Formalität. Dodger ist im weitesten Sinne der Let’s-Play-Community zuzurechnen. Es ist nicht möglich, mit solchem Content ins Youtube-Partnerprogramm aufgenommen zu werden, wenn man keinen Lizenzgeber im Hintergrund hat. Urheberrecht an den Games, wissenschon… Dieser Lizenzgeber ist im Falle Dodger Leigh der mächtige Konzern Maker Studios (ein anderer Player in dem Markt ist Machinima). Man spricht hierbei von sogenannten Multichannel-Networks (MCN). Diese MCNs sind die neue Seuche in Youtube, das Evil Empire mit den Knebelverträgen, das Kommerzmonopol. Außer Lizenzen für geschützten Content bieten sie professionellen Youtubern zahlreiche weitere Dienstleistungen wie Cross-Promotion und Finanzierung. Große Youtuber ohne MCN im Rücken sind selten geworden. Nur wenige können sich den Luxus noch leisten, unabhängig zu sein.

Mindestens für den Channel PressHeartToContinue ist es also aus Lizenzgründen unabdingbar, dass es da den Vertrag mit Maker gibt. Man darf davon ausgehen, dass deshalb ein nicht unbedeutender Teil von Dodgers Werbeeinnahmen direkt an Maker geht. Auch DexterityBonus wird dabei miterfasst. Private Vlogs sind aus Sicht des Youtube-Partnerprogramms zwar erstmal unkritisch, und man bräuchte da nicht zwingend ein MCN für. Die Vertragslage mit dem Maker-MCN sieht es aber wohl grundsätzlich vor, dass ein Künstler sozusagen mit Haut und Haaren und allen seinen Channels erfasst wird. In etwa so, wie man das in Deutschland von der GEMA kennt.
Ebenfalls ein gut gehütetes Geheimnis ist, wie denn die Verrechnung von Dodgers Aktivitäten für den Polaris-Channel aussieht, der natürlich auch zu Maker gehört.

Wie hoch ist wohl der Einnahmen-Anteil, der an Maker Studios geht? Äußerungen von Leuten, die sich über die Knebelverträge diverser MCNs echauffiert haben, deuten darauf hin, dass Maker bei Neuverträgen mit einem Anteil von 40 % in die Verhandlungen geht. Das ist viel Geld. Das muss erstmal wieder verdient werden. Und sicherlich werden diese 40 % nicht bei den Werbekunden wieder reingeholt. Selbst wenn Maker gut verhandelt dürften sie wohl kaum 40 % über den Preisen liegen, die Google für Werbung erzielt. Man muss als Youtuber also ggfs. gut abwägen, ob sich ein MCN-Vertrag wirklich lohnt. Im Arsch ist, wer einen Vertrag auf Lebenszeit abschließt. Das ist dann wie ein Bund mit dem Teufel. Da kommt man selbst durch Opferung einer Jungfrau bei Vollmond nicht mehr raus.

Die Verprobung mit den Zahlen des Dienstes Socialblade.com kann als Plausibilitätsbeaurteilung dienen, ob Dodger mit ihrem Statement „kann so gerade davon leben“ die Wahrheit gesagt hat. Die dort ausgewiesenen Maximalwerte der Einnahmen gelten branchenintern als zu hoch. Nehmen wir mal an, die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte. Dann sind wir bei Dodger Leigh bei gut 4000 Dollar im Monat. Auch im Großraum Los Angeles müsste damit was gehen, es scheint zu passen.

Im deutschen Bereich wäre zu Dodger in etwa von den Views her vergleichbar zum Beispiel Coldmirror. Bei der guten Kaddi liegt allerdings die Besonderheit vor, dass sie sich bewusst gegen den Status als Youtube-Partner entschieden hat. Der Grund ist, dass sie sich nicht von Google in ihren Content reinreden lassen will und sie ohnehin das Urheberrecht traditionell eher liberal auslegt. Zum Reinreden in den kreativen Prozess der Partner gibt es nebenbei gesagt noch eine Steigerungsstufe: Dann nämlich, wenn man ein von Youtube bezuschusster Kanal wird (Projekt „Youtube TV“ und ähnliche). Das ist allerdings eine Domäne professionell aufgestellter Produktionsfirmen wie Felicia Days Firmengruppe Geek & Sundry. Während Hannah Hart sich als Freelancerin in My Drunk Kitchen durchaus noch dienstlich auf Youtube besaufen darf, muss Geek & Sundry bzw. deren Subunternehmer Tallis Productions darauf achten, dass in ihrer Show TableTop kein echter Alkohol vor der Kamera konsumiert wird. Weil Google es so will.
Womit Coldmirror nun wirklich momentan ihr Geld verdient, ist mir nicht ganz klar. Die Sendung auf EinsFestival wird es auch nicht allein sein. Ggfs. (Spekuliermodus an) gibt es aber weitere Einnahmen aus den Kassen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Ebenfalls in der Liga mit zwei Millionen Views spielt in Deutschland Sami Slimani aka HerrTutorial. Von ihm ist bekannt, dass er das mit den Youtube-Videos hauptberuflich macht. Durch seine spezielle thematische Positionierung ist bei ihm allerdings zusätzlich mit verstärkten Sponsoring-Einnahmen zu rechnen.

Das ist für mich das Kernergebnis dieser kleinen Recherche: Zwei Millionen. Irgendwo bei dieser Zahl von Views liegt wohl die Grenze zur Hauptberuflichkeit. Diese Zahl von Views dann aber auch konstant jeden Monat ranzuschaffen, ist die eigentliche Nummer. Leute wie Dodger müssen dafür als Einzelkämpfer jeden Tag ins Hamsterrad. Es muss halt Spaß machen… Im doppelten Sinn.

Update 12.12.2013

Kaum macht man mal einen Grundsatzartikel für das Blog fertig, und glaubt die Materie einigermaßen durchdrungen zu haben – da passiert irgendwas. Youtube ändert in diesen Tagen die Arbeitsgrundlage für MCNs und die Youtuber, die mit urheberrechtlich geschützem Material umgehen. Das könnte zu einigen Verwerfungen speziell im Markt für „Let’s Play“-Videos führen, den ich ja hier schwerpunktmäßig betrachtet habe.

Was ich weiter oben beschrieben habe, „das MCN kümmert sich um die Lizenzierung geschützter Inhalte“, ist in heutiger Terminologie ein gemanageter Youtube-Kanal. Daneben gab und gibt es Kanäle, die zwar einen Vertrag mit einem MCN haben, aber ansonsten was Inhalte angeht ziemlich selbstständig wurschteln können. Man nennt sie Affiliate-Kanäle. Die meisten unter MCN-Flagge segelnden Kanäle waren bislang solche Affiliates.

Die Affiliate-Kanäle hatten bis zum 8.12.13 bei Urheberrechtsverletzungen sozusagen eine „im Zweifel für den Angeklagten“-Regelung auf ihrer Seite, da Youtube gar nicht genau wusste, wer Managed und wer Affiliate war. Deshalb ging man gegen MCN-Mitglieder nicht allzu hart vor. Diese goldenen Zeiten sind seit dem 9. Dezember vorbei. Youtube hatte die MCNs verpflichtet, bis Mitte November jeden ihrer Kanäle entweder als Managed oder Affiliate zu flaggen. In einer zweiten Stufe werden seit 9.12. aggressiv per Content ID -Verfahren Copyright Notices verteilt und somit den Youtubern die Werbeeinnahmen ihrer Videos entzogen, wenn darin urheberrechtlich geschütztes Material ohne Lizenz verwendet wird.

Die dritte Stufe des neuen Verfahrens wird Youtube vsl. im Januar 2014 zünden. Ab dann werden per Zufall Videos zum „Monetization Review“ herangezogen. Irgendeine Hilfskraft guckt sich also die Sachen an, und entscheidet, ob der Inhalt den Richtlinien des Partnerprogramms entspricht. Wenn dabei Urheberrechtsverletzungen gefunden werden, werden die Videos des betreffenden Kanals künftig häufiger zum Review herangezogen. Und wenn nichts gefunden wird, wird künftig seltener geprüft. Risiko-orientierte Beprobung nennt man das anderswo.

Man muss jetzt mal gucken, wie sich diese Änderungen auswirken (und ob Youtube das überhaupt weiterhin so knallhart durchzieht wie zu Anfang dieser Woche – die ersten Spiele-Hersteller haben sich bereits höchst irritiert gezeigt und zu verstehen gegeben, dass das möglicherweise nicht in ihrem Sinne ist, was hier passiert). Es könnte unter den Affiliates in der Lets-Play-Community in den nächsten Monaten zu einer „Marktbereinigung“ kommen, falls Leute aufgrund wegbrechender Werbeeinnahmen die Hauptberuflichkeit ihrer Youtube-Tätigkeit aufgeben müssen. Insgesamt ist die Lage aber zur Zeit noch recht undurchsichtig.

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