Debian 3.1 auf dem Acer TravelMate 4101LMi

Alwin Meschede

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Berichte über die Linux-Untauglichkeit von Acers 4100er Serie sind übertrieben, waren aber zugegebenermaßen bis vor wenigen Tagen nahe an der Wahrheit (bevor die ACPI4Linux-Leute ein Update aufbauend auf den Kernel 2.6.12-rc1 veröffentlichten). Geborene Linux-Notebooks sind die Geräte nicht, aber mit etwas Zeit und Kaffee konnte ich alle auftretenden Probleme beheben, so dass ich heute sehr zufrieden auf das silberne Ding auf meinem Schreibtisch blicken kann.

Historie


Update 27.6.05: Acer hat tatsächlich in der laufenden Serie den Grafikchip gegen einen schnelleren X700 getauscht. Dieser scheint nicht wirklich kompatibel mit X.org 6.8.2 zu sein. Jedenfalls erreichen mich Mails mit seltsamen Problembeschreibungen. Der externe Monitorausgang funktioniert aber meistens. Es scheint sich also um ein obskures Problem bei der Ansteuerung des LCD zu handeln. Wer aber in Sachen Linux sichergehen will, sollte versuchen, ein 4101 mit der alten X600-Grafikkarte zu bekommen.



Update 11.7.05: Felix Dziekan schrieb mir, dass er den SuSE-X.org 6.8.2 auf einem X700er Notebook mit folgender Modeline in der /etc/xorg.conf zum Laufen gebracht hat: Modeline "1280x800@60" 80.69 1280 1312 1472 1632 800 804 808 824 -HSync -VSync Ich dachte ja, dass Modelines ein Relikt aus vergangenen Tagen mit steinalten Grafikkarten seien, aber siehe da, alles kommt irgendwann wieder...



Update 19.8.05: Acer ist anscheinend völlig durchgedreht. Tatsache ist, dass inzwischen mehrere Varianten des Travelmate 4101 existieren, die sich in der Hardware-Ausstattung komplett unterscheiden, ohne dass es jemand für nötig befunden hat, mal die Modellnummer "4101" zu ändern.

Sicherheitshalber gebe ich mal zu Protokoll, dass sich meine Ausführungen hier nur auf die erste 4101-Serie mit X600-Grafikkarte, FSB533-Prozessor und DDR1 beziehen.

Daneben gibt es inzwischen Versionen mit X700-Grafikkarte, DDR2-RAM, kastriertem FSB400-Prozessor, lahmer integrierter Intel-Grafik, sowie Kombinationen daraus. Totales Chaos, und nach meiner Meinung an der Grenze zur Bauernfängerei. Man sollte aufpassen, was einem unter der Bezeichnung "Travelmate 4101" untergejubelt wird, denn die neuen Versionen sind ganz klar nicht so performant wie die Modelle, die Anfang des Jahres verkauft wurden...


Booten der Installations-CD

Als Installationsmedium habe ich ein aktuelles netinst-Image von cdimage.debian.org verwendet. Debian verwendet auf den Sarge-CDs einen 2.6.8er Kernel. Der stammt vom August 2004 und ist aus heutiger Sicht steinalt. Das 4101LMi bootet diesen Kern nur unter Einsatz von schweren Waffen, weil anscheinend die ACPI-Implementation nicht ganz standardkonform ist. Die folgende Kommandozeile hat sich bewährt:

 linux26 noapic nolapic acpi=off vga=771 pci=noacpi

Die Installation ist soweit Standard. An dieser Stelle sei auf zwei böse Stolperfallen in Zusammenhang mit dem Sound hingewiesen: Beim ersten Systemstart wird hotplug versuchen, den OSS-Soundtreiber für i810-Karten zu laden, was in einem Oops wegen Nullpointer-Dereferenz endet. Daher sollte man bevor man das Installationssystem verlässt noch schnell eine Shell aufrufen, die gerade installierte Partition mounten und kurzerhand einmal sagen:

 rm /lib/modules/2.6.8-2-386/kernel/sound/oss/i810_audio.ko

Die zweite Stolperfalle ist der ALSA-Treiber mit integrierter Modem-Unterstützung (snd-intel8x0m.ko, nicht der normale ALSA-Treiber snd-intel8x0.ko). Auch ihn wird hotplug bereitwillig laden. Er ist allerdings schlichtweg nicht funktionsfähig und sorgt dafür, dass kein Sound zu hören sein wird, weil er auf einer Semaphore sitzen bleibt. Also nochmal:

 rm /lib/modules/2.6.8-2-386/kernel/sound/pci/snd-intel8x0m.ko

Danach sollte Sound über ALSA out-of-the-box funktionieren. Ich habe mir insofern selbst ein Bein gestellt, als ich KDE nicht komplett sondenr stückweise installiert habe. Neuere KDE-Versionen spielen standardmäßig ogg-Dateien als Systemklänge ab. Wenn man dann die ogg-Unterstützung nicht richtig installiert hat, wundert man sich natürlich, warum die Lautsprecher stumm bleiben und sucht in alle möglichen Richtungen nach dem Fehler. Also später einmal apt-get install kdemultimedia, damit nichts schief geht.

X-Server

Der Debian XFree86-4.3 hat von PCI-Express und der Radeon X600 aus verständlichen Gründen noch nicht viel gehört. Man hat prinzipiell drei Möglichkeiten:

  1. vesa-Treiber benutzen und ohne XVideo und sonstigen Schnickschnack glücklich werden
  2. proprietäre ATI-Treiber ausprobieren
  3. X.Org 6.8.2 (xserver-xorg) von Ubuntu Linux klauen und installieren

Ich habe mich für Variante 3 entschieden. Die Ubuntu-Distribution stammt von Debian ab. Die beiden sind zueinander kompatibel genug, dass man xorg-6.8.2 als Drop-In-Replacement für XFree86-4.3 installieren kann. Es funktioniert einfach. Vorbildlich! Nach dieser Operation kann man den normalen Xorg-ATI-Treiber mit allen Annehmlichkeiten verwenden - allerdings ohne 3D-Beschleunigung. Ich brauche kein 3D. Wichtig war mir vor allem XVideo (obwohl... mplayer mit XImage ist auch ein toller Videoplayer...). Man fügt also folgende Zeile in die /etc/apt/sources.list ein:

 deb http://archive.ubuntu.com/ubuntu/ hoary main

...sagt einmal apt-get update und dann:

 apt-get install xserver-xorg xlibs

Das schaufelt eine Menge Ubuntu-Pakete auf das System, aber keine Panik! Wie gesagt, wir sind kompatibel.

Kernel

Dem 2.6.8er Kernel muss man ACPI und APIC abklemmen, damit er überhaupt bootet. Das führt direkt dazu, dass das Notebook sich beim Herunterfahren nicht selbst ausschalten kann, weil Acer keine APM-Unterstützung im BIOS hat. Unschön! Um wieder in den Genuß der modernen Technik zu kommen, benötigt man mindestens einen Kernel 2.6.12-rc1 (am besten Vanilla von kernel.org) und Len Browns ACPI-Update acpi-20050309-2.6.12-rc1.diff Mit diesem Patch funktioniert dann auch ACPI auf dem 4101. Den Kernel muss man selbst backen (meine .config) oder man installiert sich mein deb-Paket 2.6.12-rc1-audrid6. Ja, es hat sechs Anläufe gebraucht, bis ich endlich den vorläufig optimalen Kernel für mein "audrid" getauftes 4101LMi hatte... Auf APIC muss man auch mit dem neuesten Kernel verzichten. Egal, es funktioniert auch mit dem konventionellen Interruptcontroller.

Das Modul speedstep-centrino ermöglicht eine vierstufige Taktregelung zwischen 800 und 1600 MHz. In Verbindung mit dem ondemand-Frequenzscheduler lässt sich so kräftig Strom sparen (wenn man nicht wie ich ständig climateprediction.net auf dem Gerät laufen lässt). Weitere mehr oder weniger sinnvolle ACPI-Kernelmodule sind: thermal, video, button, ac, hotkey. Vielleicht braucht sie der eine oder andere für irgendwelche ACPI-Event-Skripte... Suspend brauche ich nicht, daher kann ich dazu nichts sagen.

Die Batterie ist ein Kapitel für sich. Acer ist voll auf der Höhe der Zeit und hat eine Smart Battery verbaut. Nachteil dieser modernen Technik ist, dass man den Ladestand nicht auf konventionellem Weg auslesen kann, sondern nur über den i2c-Bus. Linux unterstützt das bislang nur mit dem experimentellen Kernel-Patch von http://shayol.bartol.udel.edu. Soweit so gut, es funktioniert aber nicht auf dem 4101LMi. Wenn ich den Thread zum "Acer Extensa 4101" auf der acpi-devel-Mailingliste richtig deute, ist die völlig kaputte ACPI-DSDT-Tabelle im 4101LMi nicht ganz unschuldig daran. Für das anscheinend ziemlich baugleiche Modell Aspire 1691WLMi gibt es eine gefixte DSDT auf der ACPI4Linux-Homepage. Acer scheint für beide Modelle die selbe DSDT zu verwenden - sie gleichen sich aufs Haar und haben die gleichen Bugs. Mit der gefixten Tabelle kann man angeblich auf dem 1691WLMi die Batterie auslesen. Ich habe versucht, damit einen Kernel auf meinem 4101 zu booten. Mit der Tabelle erkannte ACPI dann überhaupt keine Batterie mehr (vorher konnte der Kernel wenigstens sagen, dass eine "anwesend" war). Hier hilft wahrscheinlich nur warten. Bruno Ducrot von der ACPI-Mailingliste will die 4101er Tabelle debuggen.

WLAN

Für das Centrino-WLAN gibt es einen Treiber unter http://ipw2200.sourceforge.net. Man kompiliert und installiert ihn, kopiert die Firmware nach /usr/lib/hotplug/firmware, lädt die Module, und es funktioniert.

Ein paar Worte zum Abschluss

Habe ich noch irgendetwas wichtiges vergessen? Der Rest des Geräts ist halt mehr oder weniger Standard. Auch wenn es zunächst nicht so aussieht, erwirbt man mit dem 4101 LMi ein gutes Linux-Notebook. Man muss es nur einmal richtig aufsetzen. Unter Debian Linux ist das kein großer Akt, wenn man einmal weiß worauf man achten muss. Zumindest für mich lässt das Gerät keine Wünsche offen. Vor allem ist es leistungsfähig und zugleich leise (auch unter Volllast). Bis jetzt einziger Negativpunkt (außer der fehlenden Möglichkeit zum Batterie auslesen, aber das renkt sich möglicherweise noch ein) ist das Soundsystem: Die Onboard-Lautsprecher hören sich grauenhaft an. Man schließt besser externe Boxen an. Außerdem fehlt mir ein Rädchen zum schnellen Einstellen der Lautstärke. So muss ich immer zum Software-Mixer greifen. An dieser Stelle möchte ich noch ein großes Lob an die ACPI4Linux-Leute aussprechen, die praktischerweise ihr Update genau so passend veröffentlicht hatten, dass ich mich nur einen halben Tag lang über nicht funktionierendes Powermanagement auf meinem 4101 aufregen musste. Falls ich noch irgendwie helfen oder Fragen zum Gerät beantworten kann, tue ich das natürlich gerne. Per e-Mail bin ich zu erreichen unter ameschede at gmx.de


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