Hauptversammlung der Sino AG 2009

Die Sino AG hatte für heute zu ihrer Hauptversammlung in das Dorf an der Düssel geladen. Nach der Riesen-Veranstaltung der Thyssenkrupp-AG im letzten Jahr war dies nun eine HV einer ausgesprochen kleinen Aktiengesellschaft.

Die Sino AG verdient ihr Geld mit technischer Infrastruktur für Heavy-Trader, also Leute, die ihr Wertpapierdepot mehrmals am Tag komplett umkrempeln, auf Deutsch: Mit Spekulanten. Ich vergleiche die Firma gerne mit den Verkäufern von Ausrüstung für Goldgräber: Beim kalifornischen Goldrausch wurde das ganz große Geld auch nicht von den Goldgräbern verdient, sondern von den Leuten, die Spaten, Sprengstoff und Goldwaschpfannen verkauften. Sino ist dabei ein absoluter Nischenanbieter im Premium-Segment. Anders als die meisten Broker nimmt sie nicht jeden Kunden, sondern nur die allergrößten und bietet diesen Leuten einen überdurchschnittlichen Service. Die Firma hat gerade einmal 615 Kunden, aber diese 615 Kunden bewegen im Jahr fast soviel Wertpapiervolumen an den Börsen wie 600.000 Kunden bei der Comdirect.

Auch in der Finanzkrise hat sich das Geschäftsmodell der Sino als bislang durchaus krisenfest erwiesen. Sino-Kunden können sowohl short als auch long gehen und somit auch von fallenden Kursen profitieren. Wenn an der Börse die Kurse Achterbahn fahren, ist das ein ideales Umfeld zum Handeln. Wenn es längere Zeit in eine Richtung geht, ist dies dagegen tendenziell nicht so gut für Sinos Kunden, weil es dann weniger Trading-Chancen gibt. Die Ertragssituation der Sino korreliert allerdings sehr stark mit den allgemeinen Börsenumsätzen. Als es an der Börse knallte, weil Lehman pleite ging oder der Händler Kerviel aufflog, waren diese Umsätze außerordentlich hoch, sind in den letzten Monaten aber abgeebbt, weil sich weniger Leute an die Börse trauen.

Sehr charmant an der Sino AG ist auch, dass sie kaum Kapital zur Erweiterung des Geschäftsbetriebes braucht. Der Laden ist praktisch schuldenfrei, und in den vergangenen Jahren konnte nahezu der gesamte Jahresgewinn als Dividende ausgeschüttet werden, was zu einer weit über dem Durchschnitt liegenden Dividendenrendite von bis zu 8 % führte.

Die heutige HV kann man als "überwiegend harmlos" zusammenfassen. Der Vorstand kann ein gutes Geschäftsjahr 2007/2008 vorweisen. Abzustimmen war über die Dividende, den Abschlussprüfer, die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat, die Wahl eines neuen Aufsichtsratsmitglieds sowie eine kleine Änderung der Aufsichtsratsvergütung. Am ehesten Sprengstoff hätte noch die Wahl des besagten Aufsichtsrates bergen können, aber nichts dergleichen geschah. Dazu muss man wissen, dass seit Jahren immer wieder Gerüchte aufkommen, dass der Großaktionär HSBC Trinkaus & Burkhardt, der bislang 25 % der Sino AG hält, versuchen könnte, den Laden komplett zu übernehmen. Eine hochprofitable Abteilung wie die Sino würde sich sicher gut in einem von der Finanzkrise gebeutelten Bankenkonzern machen, um vielleicht die Bilanz etwas aufzuhübschen… Okay, so schnell wird das nicht passieren, denn der Streubesitz ist bei Sino mit 57 % noch außerordentlich hoch.

Dennoch hat es ein Geschmäckle, wenn ausgerechnet ein Anwalt mit Spezialgebiet Squeeze-Out (Herausdrängen von Minderheitsaktionären) Einlass in den Aufsichtsrat begehrt. Zumal auch nach dieser HV unklar ist, wessen Interessen der Mann eigentlich vertritt. Ja gut, ich hätte ihn das fragen können, schließlich hatte ich ja wie jeder Aktionär Rederecht (aber nicht genug Arsch in der Hose, davon Gebrauch zu machen). Mir ist es allerdings auch egal, was den neuen Aufsichtsrat antreibt. Wer einen Squeeze-Out anstrebt, schafft dies auch ohne einen Insider im Aufsichtsrat.

Persönlich bin ich eher der Meinung, meine Firma braucht keinen Squeeze-Out-Anwalt, sondern einen Aufsichtsrat, der genug Sachverstand hat, um den Vorstand manchmal ein bisschen auszubremsen. Die beiden Vorstände machen zwar ganz gute Arbeit, aber manchmal laufen eben Dinge, wo ich denke "das muss doch nicht sein". Beispiele: Sino muss bestimmtes Sicherheitsvermögen vorhalten und hat überdies überschüssiges Geld. In der Vergangenheit kam der Vorstand auf die Idee, mit diesem Geld zu spekulieren, indem er beispielsweise HVB-Aktien oder Bayer-Schering kaufte. Ich bin der Meinung, mit verpfändetem Vermögen sollte man nicht spekulieren, und wenn es überschüssige Liquidität gibt, sollte man die an die Aktionäre ausschütten. Ich kann dann selbst entscheiden, ob ich vielleicht unbedingt HVB und Bayer-Schering davon kaufen möchte… Immerhin hat der Vorstand heute angesichts der Finanzkrise versprochen, bis auf weiteres das Spekulieren sein zu lassen.

Als weiteres kleines Knallbonbon fand sich dieses Jahr im Bilanzanhang, dass die Sino ein Konto verpfändet hat zur Sicherung eines Kredits, den HSBC für einen einzelnen Sino-Kunden herausgelegt hat. Eine Grundsatzdiskussion, ob es denn sein müsse, dass Sino mit Firmenvermögen für Verbindlichkeiten Dritter in die Bütt steigt, fand nicht statt, weil es die Hauptversammlung offensichtlich nicht interessierte. Finanzvorstand Hillen sagte dazu nur, dass die Sache ein Einzelfall sei und der Kunde wohl für viel Umsatz sorgt.

Durch beharliches Nachfragen eines Aktionärs wurde während der HV zu Tage gefördert, dass in einem der Finanzberichte wohl ein Fehler unterlaufen war. So wie ich das mitgekriegt habe, wurde wohl der Steueraufwand zweimal vom Ergebnis vor Steuern abgezogen. Peinlich, peinlich… Immerhin waren aber die veröffentlichten Adhoc-Meldungen richtig, und der Fehler zog sich auch nicht durch den gesamten Bericht. Mit Fehlbuchungen hat die Sino AG allerdings leider Erfahrung: Vor zwei Jahren war einmal ein ernsterer Fehler passiert, durch den der ganze Abschluss hinfällig wurde.

Herr Wilm Diedrich Müller war auch wieder anwesend und stellte seinen üblichen Antrag auf Ausschüttung einer Sachdividende von Aktien der Reederei am Zwischenahner Meer. Ich habe eine neue Variante kennengelernt, den Antrag des Herrn Müller abzubügeln: Ausschüttung als Sachdividende ist vom Aktiengesetz her nur zulässig, wenn es explizit in der Satzung steht, was bei Sino nicht der Fall ist. Bei Sino gibt es also grundsätzlich nur Geld.

Ich fand die Naturaldividende etwas mager. Irgendjemand muss das Buffet fürchterlich geplündert haben, bevor ich Zeit hatte, mich meinem Magen zu widmen. Zu diesem Zeitpunkt gab es nur noch Käsehäppchen. Immerhin dauerte die HV mit drei Stunden nicht so unendlich lange wie bei einem Großunternehmen. 45,21 % des Kapitals waren anwesend.

Als Location diente die Konferenzebene im Sparkassenhochhaus in Düsseldorf. Freunde der gepflegten Wallfahrt an geschichtsträchtige Orte wissen, dass in diesem Haus zum Beispiel Franjo Pooth die Spaßkasse Düsseldorf über den Tisch zog und Kredite für seine marode Firma lockermachen ließ. Wenn man sieht, dass die Sparkasse Düsseldorf allein zwei Stockwerke für den Bereich "Internationales/Institutionelle Kunden" reserviert hat, weiß man, woher der Wind weht. Auf dem selben Mist sind auch die explodierenden Verluste der Landesbanken am Kapitalmarkt entstanden, weil irgendwelche Provinzbanker und -politiker der Meinung waren, mit den großen und internationalen Hunden am Kapitalmarkt pinkeln gehen zu müssen.

Als ich nach drei Stunden mein Parkticket zahlen wollte, kriegte ich einen Schreck: Glatte 10 Euro berechnet das Parkhaus an der Kö in Düsseldorf. Für das gleiche Geld kann ich woanders fast eine Woche lang parken. Gehört dieses Parkhaus einer Finanzheuschrecke oder was? Andererseits – der Markt macht die Preise. Das Parkhaus war gut voll. Wenn mein Parkhaus bis zum oberen Rand voll ist, muss ich als Parkhausbetreiber eben so lange die Preise erhöhen, bis die Kunden nicht mehr die Einfahrt blockieren…

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