Mass Effect 1

Die drei Computerspiele der Mass-Effect-Reihe waren bislang an mir vorbeigegangen. Mass Effect war für mich immer das ominöse RPG, mit dem andere Spiele verglichen wurden, aber von dem ich selber keine Ahnung hatte. Erst nachdem mit jüngst nachdrücklich empfohlen wurde, mich drauf einzulassen („tolle Story und awesome voicework von Jennifer Hale“), habe ich mir Mass Effect 1 besorgt – und dann ME 2 und 3 direkt danach auch noch durchgenudelt.

Das besondere an den drei Spielen ist, dass man jeweils sein letztes Savegame in den nächsten Teil mitnimmt. Die in der Vergangenheit getroffenen Entscheidungen haben kleine oder größere Auswirkungen auf die Story – es gibt Dinge in Mass Effect 1, die einem in ME 3 derbe auf die Füße fallen können. In Gesprächen hat man außerdem immer die Möglichkeit, wahlweise ein guter Mensch zu sein („Paragon“) oder ruchlos („Renegade“) zu sein. Wer sich einen Ruf in die eine oder andere Richtung erarbeitet hat, hat an Schlüsselstellen des Spiels die Möglichkeit, der Story eine alternative Richtung zu geben. All das macht den besonderen Reiz dieser Trilogie aus.

Im Jahr 2183 hat die Menschheit das Problem mit dem FTL-Travel gelöst und stellt fest, dass die Galaxie da draußen nicht wirklich auf sie gewartet hat, sondern schon von allerlei anderen Alien-Völkern besiedelt ist. Und kaum haben die Menschen die galaktische Bühne betreten, soll die Party auch schon wieder vorbei sein – in der Mass-Effect-Welt drücken sozusagen höhere Mächte („Reaper“) ca. alle 50.000 Jahre den Reset-Knopf und vernichten sämtliche zur interstellaren Raumfahrt fähigen Zivilisationen. 50 Kilojahre später sind dann die nächsten organischen Wesen technologisch weit genug fortgeschritten und man trifft sich quasi mit den Reapern zur nächsten Runde.

An dieser Stelle kommt jetzt die vom Spieler gesteuerte Figur Commander Shepard ins Spiel. Wahlweise Männlein oder Weiblein und Rollenspiel-mäßig vielfältig konfigurierbar. Wer Deep Space Nine gemocht hat, wird Freude an gewissen Tropes haben: Shepard entspricht quasi Sisko aus DS9 und wird kurz nach Spielbeginn gewissermaßen zum „Abgesandten“, komplett mit Visionen und so. Nach dem Prolog bekommt man dann das Kommando über ein eigenes Schiff, die Normandy SR-1. Selbstverständlich zur Tarnung fähig und übermotorisiert – wie damals die USS Defiant.

Rassismus (im Sinne von „wir Menschen auf der einen und Turianer/Kroganer/Asari/Salarianer etc. auf der anderen Seite“) und die Frage, welche politische Rolle die Menschheit in der Milchstraße spielen soll, sind auch wichtige Themen von Mass Effect 1. Wie geht man mit den Aliens auf dem eigenen Schiff um? Ist das richtig, diesen Leuten vertiefte Einblicke in die Technik des modernsten Pferds im Stall zu geben? Humanity first? Soll die Galaxie am menschlichen Wesen genesen, oder ist der Status quo bei der Zentralregierung der Galaxis vielleicht doch ganz brauchbar?

Im Sci-Fi-Setting von Mass Effect befindet man sich in einer Welt, die noch weitgehend auf Naturgesetzen basiert. Abwärme ist zum Beispiel ein großes Problem, genauso Sonneneinstrahlung auf die Raumschiffe. Eine Atombombe ist immer noch eine starke Waffe. Mass Effect segelt zwar unter der Rollenspiel-Flagge, aber man sollte sich nichts vormachen: In seinem Herzen ist das Ding ein Shooter. Das gilt auch für Teil 2 und 3. Man muss reichlich interstellares Gekröse abschießen. Die Waffen haben in Teil 1 unendlich Munition. Man muss nur aufpassen, dass man die Waffe nicht heißschießt. Die Baller-Orgien werden dadurch ziemlich ausladend. Die so ziemlich einzige Herausforderung besteht darin, in jeden Kampf möglichst gleich zu Anfang ausreichend Ruhe reinzubringen. Danach feuert man aus der Deckung, bis sich nichts mehr bewegt.

Alternative Lösungswege mit weniger Ballerei gibt es fast nie – oder wenn doch, dann ist ihr Auftreten so unerwartet, dass man sie übersieht. Unter Rollenspiel-Gesichtspunkten hat es mich zum Beispiel im Nachgang sehr geärgert, dass ich in einer Nebenmission eine Horde biotischer Geiselnehmer umgenietet habe, obwohl man – wie ich später erfuhr – auch einfach bis zum Ober-Geiselnehmer hätte durchsprinten können, dann die richtigen Dinge sagen und so die Sache ohne einen Schuss hätte erledigen können.

Abseits der Hauptmissionen bietet ME 1 die Möglichkeit, weitere Planeten zu erkunden und dort Nebenmissionen zu absolvieren. Ich habe das wenig genutzt, weil es doch recht langweilig ist. Außerdem baut die Haupt-Story einen subtilen Druck auf den Spieler auf: Hauptthema ist die Verfolgung eines gewissen Herrn Saren Arterius, der gerade dabei ist, die Galaxie den Reapern auszuliefern. Es wird immer wieder betont, es müsse jetzt schnell gehen. Es ist zwar straflos möglich, aber wer würde unter diesen Umständen Zeit mit Nebenmissionen vergeuden? Mass Effect 1 fühlt sich vom Ablauf her darum etwas wie auf Schienen an.

In den Missionen findet man ständig irgendwelches nutzbares Waffen- und Schutzgeraffel. Das führt innerhalb kürzester Zeit dazu, dass das Inventar völlig aus allen Nähten platzt. Nach den Missionen ist man ständig damit beschäftigt, den überflüssigen Crap zu verkaufen.

Als Grafikengine kommt in allen drei Teilen Unreal 3 zum Einsatz. Die Grafik ist jeweils ein Kind ihrer Zeit. Mass Effect 1 ist aus heutiger Sicht schon steinalt (kommt aus dem Jahr 2007). Die Beleuchtung von Gesichtern und die Haare wirken nach heutigen Standards manchmal recht ulkig:

ME1_Haare

ME1_Gesicht

Mass Effect kommt ursprünglich von der Konsole und wurde erst nachträglich auf den PC portiert. Aus irgendeinem Grund hat man dabei aber ersatzlos die Möglichkeit entsorgt, das Spiel am PC mit dem Xbox-Controller steuern zu können. WSAD ist angesagt.

Ach so, eins noch: Wie es seit langem zum guten Ton bei Triple-A-Titeln gehört, kann man auch in Mass Effect mit bestimmten Crewmitgliedern herumflirten. Wir lassen mal die Tatsache außen vor, dass die Alliance-Navy wie jede anständige Streitmacht bestimmt Regeln für Beziehungen zu Untergebenen hat… Die Partner-Auswahl ist in ME 1 allerdings auch sehr beschränkt. Als BroShep darf man Hand anlegen an den weiblichen Lieutenant, als FemShep an den männlichen LT. Alternativ dürfen beide sich an die Asari-Wissenschaftlerin Liara ranmachen. Die Asari sind geschlechtslos (im Phänotyp allerdings weiblich), und sind praktischerweise eine Sorte Aliens, die es nur mit Leuten von anderen Planeten machen… Ende der Fahnenstange bei der Anrüchigkeit ist also, wenn FemShep eine „lesbische“ Beziehung mit Liara anfängt. Schwule BroSheps müssen keusch bleiben.

Nach etwa 21 Stunden Spielzeit bekam ich den Abspann von Mass Effect 1 zu sehen. Als der erste Teil der Trilogie ist ME 1 ein wenig der ungeschliffene Rohdiamant der drei Spiele. Die sehr gute Story kaschiert manche Unzulänglichkeit des Spiels. Mir hat es gefallen.

Zum Abschluss ein Bild meiner FemShep mit der Normandy SR-1 am Strand von Virmire (diesen idyllischen Strand haben wir in zupackender Art und Weise kurz nach dieser Aufnahme mit einer 20-Kilotonnen-Kernwaffe verwüstet):

SR1

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