Jetzt wo ich die Bundeswehr quasi überlebt habe kann ich mal ein wenig reflektieren. Ja, es war schön. Außerdem kann ich von mir behaupten, Soldat gewesen zu sein, ohne mich groß dabei anstrengen zu müssen, denn ich war Sanitäter.
Das "Sie werden bei der Bundeswehr soweit möglich entsprechend Ihren Fähigkeiten eingesetzt" klappte entgegen meinen schlimmsten Befürchtungen wirklich: In dem halben Jahr in meiner Stammeinheit habe ich erst das Postbüro und dann das Geschäftszimmer bewacht. Für einen Abiturienten kein schlechtes Geschäft, denn es handelte sich um Schaltstellen, an denen man seinen Kopf benutzen musste. Als Nachteil muss ich natürlich verbuchen, dass ich leider kaum was erlebt habe beim Bund, weil ich immer im Büro saß. Meine geplante Kommandierung auf den Ãœbungsplatz Wildflecken hatte sich in dem Moment zerschlagen, als ich dienstlich Fußball spielte und mir dabei das Außenband anriss. So blieb mein größtes "Highlight" die eintägige Tour auf einer elenden Ranzkarre ohne funktionierende Elektrik nach Jülich.
Auf der anderen Seite bin ich doch froh, dass es endlich vorbei ist. Wahrscheinlich habe ich eine zu dünne Schale, als dass mir Einzelschicksale nicht nahegehen würden. Deshalb an dieser Stelle ein wenig Beratung für Zeitsoldaten-Aspiranten: Ãœberlegt euch gut, ob ihr wirklich SaZ werden wollt! Wenn ihr’s aus irgendeinem Grund werden müsst, zum Beispiel weil ihr draußen in der Zivilwelt keinen Job kriegt, dann tut ihr mir wirklich leid. Nach vier Jahren lässt euch die Bundeswehr fallen wie eine heiße Kartoffel. Ihr seid dann so weit wie vorher, nur vier Jahre älter und damit mit tendenziell noch schlechteren Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Wenn ihr Glück habt, habt ihr immerhin einen zivil verwertbaren LKW-Führerschein, seid RettSan oder was auch immer.Wenn ihr zur Bundeswehr wollt, um dort was zu werden, dann nehmt euch folgende Worte zu Herzen: Richtig Spaß macht die Sache eigentlich nur als Offizier, und ich kann meine Sandkastenfreundin aus Münsteraner Zeiten nur beglückwünschen, die es irgendwie geschafft hat, SanOffz-Anwärter zu werden. Wenn sie dann mal eines Tages Stabsarzt ist, steht ihr praktisch die ganze Welt offen.
Eine Karrierestufe drunter gibt es die Feldwebellaufbahn. Auch nichts schlechtes, weil man auch dort Berufssoldat werden kann. Allerdings ist es durchaus schwierig, Feldwebel zu werden, wenn man sozusagen noch kein Feldwebel ist: Am besten haben es die Leute, die auf Grund eines "verwertbaren Zivilberufs" gleich mit Dienstgrad Feldwebel eingestellt werden. "Feldwebelanwärter" geht auch noch, wenn man sich bei den Lehrgängen entsprechend anstrengt. Aber als Uffz oder Mannschafter zum Feldwebel aufsteigen? Könnt ihr fast vergessen. Im SanDienst ist es wie man hört so, dass die Stammdienststelle des Heeres geschätzte 1000 Feldwebelanwärter in diesem Land herumschwirren hat, die man seit Jahren unterzubringen versucht. Für Aufsteiger ist da kein Platz. Lasst euch auch von Wehrdienstberatern und ähnlichen verkrachten Existenzen nichts erzählen. Beim Zentrum für Nachwuchsgewinnung (ZNwg) werdet ihr nach Strich und Faden verarscht, denn dort haben sie Quoten zu erfüllen. Nachwuchswerbung scheint dort so zu funktionieren, wie man früher Matrosen geworben hat: Mit leeren Versprechungen und schlechtem Fusel. "Unterschreiben Sie bitte hier…"
Ich habe in meinem halben Jahr in der 4. Kompanie mehr als einen Soldaten übelst vor die Wand laufen sehen, der geglaubt hat, was ihm von den Nachwuchswerbern erzählt wurde. Da gab es eine Kameradin mit einer Arbeitseinstellung und einem Plan vom Leben, die man nur bewundern kann. Der Traum jedes Chefs. Leider ist sie für die Bundeswehr vier Jahre zu alt. Auf Grund irgendwelcher Altersgrenzen wird sie weder Uffz noch Feldwebel werden können. Beim ZNwg hat ihr das niemand erzählt. Entsprechend deprimiert läuft sie heute durch unsere Kompanie und überlegt sich, von ihrem "Sonderkündigungsrecht", das ihr als Frau zusteht, Gebrauch zu machen.
Der Bundeswehr ist es anders als zivilen Arbeitgebern technisch gesehen auch völlig egal, ob ein Mitarbeiter fähig ist oder nicht, so lange er nur seine Pflichten erfüllt. Nach Ablauf des SaZ-Vertrages wird man auf die Straße gesetzt, egal ob man auf seinem Spezialgebiet eine Koryphäe ist oder nicht. Verlängerung gibt’s nicht. Irgendjemand hat wohl ausgerechnet, dass es günstiger kommt, viele viele Schulen und Ausbildungszentren zu betreiben und immer wieder neue Soldaten auszubilden, als die wirklich guten Leute zu halten. Das führt natürlich auch dazu, dass von "unten" (also über das ZNwg) tendenziell immer mehr Scheiße nachkommt. "StUffz, weiblich" ist fast schon ein Schimpfwort in der Bundeswehr. Ungelogen habe ich Soldaten der Feldwebellaufbahn erlebt, die des Lesens nicht mächtig waren, links und rechts verwechselten wenn sie Kommandos gaben und meist auf die Hilfe eines erfahrenen Mannschaftsdienstgrads angewiesen waren, wenn sie einen Auftrag erledigen sollten. Im Extremfall hat so etwas dennoch die Chance, Berufssoldat zu werden.
Und wenn ich kurz vor Ablauf meiner neun Monate bekniet werde, mich doch für vier Jahre zu verpflichten oder wenigstens freiwillig länger Wehrdienst zu machen, weil ich ein Leuchtturm des überlegten Handelns und der Arbeitsmoral bin, dann ist irgendwas nicht richtig. Ich habe noch nichtmal alles gegeben, weil ich genau wusste, dass ich Soldat war, weil ich es sein musste. Ich habe nur meine verdammte Pflicht getan und dabei die Arbeitseinstellung an den Tag gelegt, die mir mein Elternhaus seit Kindheitstagen mit auf den Weg gab.
Es ist offensichtlich, dass die Bundeswehr an gewissen Positionen Bedarf an denkenden Leuten ohne Vorgesetztenfunktion hat. Geschäftszimmer zum Beispiel, Kompanietrupps und ähnliches. Bloß kaufen die ZNwg bislang nicht anhand dieses Bedarfs ein. Dann und wann hat man Glück und jemand mit Fachabi oder ähnlichem ist so "dumm" sich für vier Jahre zu verpflichten. Solche Leute gibt es aber viel zu selten. Hier möchte ich ganz leise vorschlagen, da doch mal was dran zu tun und die Attraktivität einer solchen Laufbahn zu steigern.