Ausbildungssimulator der Deutschen Bahn AG in Hamburg


Update 29.8.2010:
Hinweis für Lokführer und ähnliche Simulatorbenutzer

Wenn ich mal die Logdateien des Webservers auswerte, scheint es eine gewisse Nachfrage nach diesem Artikel bei Berufs-Triebfahrzeugführern zu geben, die zum ersten Mal auf den Simulator müssen und vorab Informationen suchen. Ihnen möchte ich zukünftig in einem gesonderten Artikel helfen.


Um Lokführer aus- und fortzubilden betreibt DB Training an verschiedenen Standorten in Deutschland Lokfahrsimulatoren. Diese Geräte sind Flugsimulatoren nicht unähnlich, und daher finden sich im Herstellerkonsortium Namen wie DASA und Dornier (heute EADS), die Erfahrung im Flugsimulatorbau mitbringen. Ein solcher Simulator kostet mit 2,5 Mio. Euro genausoviel wie ein Exemplar der echten Lok. Die Kostenvorteile liegen also nicht in den Anschaffungskosten, sondern in den Betriebskosten. Man muss weniger der knappen Fahrplantrassen für Ausbildungsfahrten belegen, und man kann gezielt bestimmte Situationen üben.

In Hamburg steht ein Simulator für Loks der Baureihen 101, 145 und 152. Diese haben identische Führerstände. Die technischen Unterschiede können somit in Software nachgebildet werden. Das Simulatorzentrum befindet sich in fußläufiger Entfernung vom Hauptbahnhof auf dem Gelände des alten Betriebswerks Hamburg 3, das heute nur noch als Tank- und Abstellanlage genutzt wird.

DB Training Simulator 101/145/152, Hamburg, 29.8.09

Der Simulator enthält einen Führerstand der 101/145/152 in Originalgröße. Da die Lichtverhältnisse im Simulator auch bei eingeschalteter Führerstandsbeleuchtung recht bescheiden waren, nehme ich mal ein Bild mit dem Führerstand der echten Lok von Wikimedia Commons zur Illustration (http://commons.wikimedia.org/wiki/Image:F%C3%BChrerstand_BR_101.jpg):

 Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/Image:F%C3%BChrerstand_BR_101.jpg
(Urheber: Sebastian Terfloth)

Eine zusätzliche Computerkonsole bildet den Maschinenraum ab. Somit kann auch die Störungsbehebung trainiert werden. Der Simulator ist auf Hydraulikzylindern montiert und verfügt über ein Bewegungssystem, welches die typischen Bewegungen einer Lokomotive fühlbar macht (hier hat sich die Bahn nicht lumpen lassen – der Ausbildungszweck wäre sicherlich auch ohne teures Bewegungssystem erreichbar). Da wir allerdings mit vier Leuten in dem Simulator rumsprangen, konnten wir das Bewegungssystem auf Grund von Gewichtsbeschränkungen leider nicht voll ausreizen.

Jeder Lokführer einer DB-Konzerngesellschaft muss inzwischen einmal jährlich auf den Simulator, wo dann geprüft wird, ob er in sicherheitsrelevanten Situationen richtig reagiert. Diese Termine sind bei den meisten Lokführern außerordentlich unbeliebt, denn im Simulator kreist der Hammer. Wer hier durchfällt (jedes Jahr etwa 5 %) hat mindestens ein unangenehmes Gespräch mit dem Vorgesetzten zu erwarten, meistens Nachschulungen oder im Extremfall auch den Verlust des Eisenbahnfahrzeugführerscheins.

Ganz überwiegend sind die Simulatoren durch DB-Lokführer belegt. DB Training wird allerdings als Profit-Center geführt und verkauft auch an Privatbahnen Simulatorausbildung. Insbesondere die Simulatoren in Fulda werden aber auch als Touristenattraktion vermarktet. Nach einem Crashkurs in Signalkunde darf hier die interessierte Öffentlichkeit für 20 oder 60 Minuten fahren. Gestern fand eine solche Veranstaltung am Standort Hamburg statt.

Die Ausbildung zum Lokführer dauert in der Variante "Funktionsausbildung" mindestens 9 Monate. Von einem einstündigen Crashkurs darf man daher keine Wunder erwarten. Viele Leute bringen natürlich ein recht ansehnliches Vorwissen mit. Trotzdem hätte man den Simulator so konfigurieren können, dass keiner von uns die Lok mehr zur Mitarbeit überreden könnte. Gestern sollte aber natürlich der Fahrspaß im Vordergrund stehen. Dennoch wurde im Laufe des Tages der Simulator bis fast ins Letzte ausgereizt. Das Bild unten zeigt den Arbeitsplatz, an dem der Simulator vom Prüfer konfiguriert wird.

DB Training Simulator 101/145/152, Hamburg, 29.8.09

Auf der Strecke von München nach Stuttgart war gestern die Hölle los. Lokführers Albtraum. Vielleicht haben es die Instruktoren auch manchmal etwas übertrieben mit den betrieblichen Besonderheiten, Störfällen und diktierten Befehlen. Kühe und Autos im Gleis, Äste in der Oberleitung, Störungen am Triebfahrzeug, alle denkbaren Varianten von Zusatz- und Ersatzsignalen, Fahrten im Gegengleis etc. pp. Wir haben sogar mit dem Simulator rangiert. Das einzige was wir nicht eingespielt haben war meines Wissens eine schnöde Baustelle. Die beiden Instruktoren – einer war immer im Führerstand, der andere steuerte von draußen die Simulation – waren beide kein Kind von Traurigkeit und begannen alsbald, sich gegenseitig zu foppen, indem Situationen der Kategorie "mal gucken, ob sie’s merken" eingespielt wurden. Beim Rangieren blieb ganz plötzlich das 10-sekündliche Kontrollsprechen des Rangierbegleiters aus, dafür tauchte plötzlich ein Männchen auf, welches das Kreissignal (sofort anhalten) gab. Da befand sich der Ast plötzlich nicht mehr in der Fahrleitung des Gegengleises, sondern tauchte im eigenen Fahrweg auf. Sowas hat keinen Ausbildungswert. Bei einem Ast in der Größe, wie ihn der Simulator darstellte, schafft man es bei Tempo 160 nicht mehr, den Stromabnehmer rechtzeitig zu senken um eine Beschädigung zu verhindern. Gegenstände im Gleisbereich sind überhaupt ein sensibles Thema. Theoretisch kann der Simulator auch Kinder im Gleis darstellen. Dies wird aber nicht genutzt. Ziel ist nicht, die Reaktionsgeschwindigkeit zu testen, sondern ob der Lokführer einen korrekten Notruf absetzt. Daher tauchen Hindernisse eigentlich immer nur im Gegengleis auf, doch selbst dabei kann es passieren, dass der Lokführer im Simulator einen Schock erleidet, weil plötzlich Erinnerungen an einen früheren Unfall wachgerufen werden.

DB Training Simulator 101/145/152, Hamburg, 29.8.09

DB Training Simulator 101/145/152, Hamburg, 29.8.09

Hier sieht man, wie die grafische Darstellung im Simulator ausschaut. Zu sehen ist das Stellwerk von Geislingen. Die Grafikqualität dürfte im Jahr 1998 durchaus konkurrenzfähig gewesen sein.

Nicht-Lokführer dürften mit dem Simulator dem Gefühl, eine echte Lokomotive zu steuern, am nächsten kommen. Der originale Führerstand ist hierbei ein wichtiger Faktor. Die Sache ist allerdings nichts für Leute, die sich davor ekeln, den schweißgetränkten Fahrschalter anzufassen, den vorher schon eine ganze Generation Lokführer mit Prüfungsangst in der Hand hatte.

Man vergleicht Äpfel mit Birnen, wenn man Vergleiche zu Simulationen für den PC wie zum Beispiel Zusi zieht. Im Vergleich zu letzterem ist das Angebot an Strecken für den DB-Simulator sehr beschränkt. München-Stuttgart wurde umgesetzt, ebenso ein Stück von Fulda-Würzburg. Dann gibt es noch drei fiktive Strecken. Das war’s dann. Das Fahrverhalten der Zusi-101 ist  anders als das der Simulator-Lok. Vielleicht war es aber auch nur die Umstellung vom Computerbildschirm auf echte Instrumente. Ich selbst bin gestern im Simulator von Neu-Ulm mit einem 7-Wagen-Intercity über Ulm Richtung Stuttgart gefahren. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, in Ulm betont schwungvoll einzufahren, was in Zusi in jedwedem Bahnhof bei mir ganz gut klappt. Im Simulator verreckte mir die Fuhre aber schon ein ganzes Stück vor dem Bahnsteigende. Zusi ist gegenüber dem Simulator, wie soll man sagen, deterministischer. Wenn ich in Zusi PZB Wachsam drücke, kann ich sicher sein, dass er die Beeinflussung auch angenommen hat. Wenn man einmal im Simulator gesessen hat versteht man schlagartig, warum manche Lokführer diese Taste gewohnheitsmäßig zweimal betätigen – das erste Mal wurde bei mir häufig nicht angenommen. Da ich bereits wusste, wie ich schalten und fahren musste, nutzte ich meine Fahrzeit auch zum Herumspielen mit dem Diagnosedisplay und der AFB. Zu meinem Leidwesen kam ich im Eifer des Gefechts nicht mehr dazu, auch mal die Seitenabfahreinrichtung zu benutzen, und in meiner Schicht meldete sich auch niemand bei mir über den Zugfunk. In Zusi ist die Automatische Fahr-Bremssteuerung (AFB, der Tempomat der modernen Lokomotiven) bequem in 5-km/h-Schritten einstellbar. Wenn ich 110 km/h einstelle, dann fährt Zusi auch genau 110 Sachen. Die echte AFB funktioniert anders: Mir fehlt zwar die nötige Routine, aber ich empfand das stufenlose Einstellen der Geschwindigkeit als elendes Gefummel. Einmal zu heftig bewegt, und schon ist die rote Nadel sonstwo. Der ganze Regelkreis ist erheblich träger eingestellt als in Zusi, die Sollgeschwindigkeit wurde von der Lokomotive ewig nicht erreicht.

DB Training Simulator 101/145/152, Hamburg, 29.8.09

 

 

 

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Eine Antwort zu Ausbildungssimulator der Deutschen Bahn AG in Hamburg

  1. avronaut sagt:

    Danke für den informativen Bericht.

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