Developers, Developers, Developers

Direkt aus den USA gibts heute mal einen Link zu einer (länglichen) Geschichte, wie die Firma Maker (eines der großen Youtube-Multichannel-Networks von drüben) letzte Woche eine 400 Kilodollar schwere Videoproduktion unrettbar in den Teich setzte:

http://indiestatik.com/2014/03/31/most-expensive-game-jam/

Da der Kollege Jared Rosen lange braucht, um mit seinem Bericht zum Kern der Sache zu kommen (die vorab dargelegten Begleitumstände der ganzen Produktion sind trotzdem lesenswert), liefere ich mal eine TL;DR-Version:

Am Anfang stand die Idee, dass man für den Polaris-Youtubekanal mal einen „Game Jam“ verfilmen könnte. Also eine Veranstaltung, wo ein paar Indie-Spieleentwickler zusammenkommen, um innerhalb von ein paar Tagen unter Wettbewerbsbedingungen  kleine Computerspielchen zu entwickeln. Als zusätzliche Zugpferde würden einige der üblich verdächtigen Gaming-Youtuber aus dem Polaris-Netzwerk fungieren. Von da an ging es mit der guten Idee nur noch abwärts. Am Ende schwebte den Verantwortlichen wohl eine Scripted-Reality-Docutainment-Produktion (was für ein geiler Begriff!) mit schreiendem Product-Placement durch die Firma Pepsi vor. Das Pepsi am Set hätten die Beteiligten wohl noch so gerade ertragen. Aber die Versuche eines einzelnen Directors (dessen Hauptaufgabe passenderweise eigentlich gewesen wäre, Pepsis Mountain Dew immer gut ins Bild zu rücken), durch frauenfeindliche Suggestivfragen Drama vor die Kamera zu bekommen, brachten dann das Fass zum Überlaufen. Mindestens vier der Indie-Developer verließen wutentbrannt das Set. Ohne die Developers konnte die Produktion nicht weiterlaufen. Für die aufgelaufenen Kosten von 400.000 Dollar hat Maker Studios nicht viel bekommen, außer ein Beispiel, wie man es besser nicht macht. TL;DR Ende.

Maker Studios ist hinsichtlich ihrer Tätigkeit vergleichbar mit der deutschen Firma Mediakraft. Groß geworden sind diese Firmen durch die Kreativität der Youtuber, die sie unter Vertrag haben – und durch Risikokapital. Leider hat noch keine dieser Firmen einen Weg gefunden, für ihre Risikokapitalgeber längerfristig die geforderten Renditen zu erwirtschaften. Man zeigt in der Branche mit dem Finger immer gerne auf Google, die sich 45 % der Werbeeinnahmen einstecken und die Werbepreise in den Keller drücken. Deshalb sucht die ganze Branche ihr Heil im Product Placement – weil das Einnahmen sind, auf die Google nicht die klebrigen Finger drauflegen kann.

Ein Youtube-Kanal wie Polaris hat als Aushängeschild des Netzwerks eine Doppelfunktion: Einerseits soll er die Mitglieder des Netzwerks promoten (Polaris Holodeck ist die prototypische Form, wie sowas gemacht wird), andererseits will man sich Werbepartnern und Product-Placing-Kunden als lohnender Partner präsentieren. Idealerweise hat der Channel auch noch interessanten Content, so dass er hohe Reichweiten erzielt. In diesem Dreieck die Balance zu finden, ist die eigentliche Kunst. Als der Polaris-Kanal noch The Game Station hieß, hatte er guten Content, der verhältnismäßig aufwändig produziert war. Die Leute dahinter waren mit dem Herzen dabei. Das merkte auch das Publikum. Nur Product Placement war in den vorhandenen Formaten eher schwierig. Irgendwann hat daher jemand bei Maker beschlossen, dass man den Kanal einem Rebranding unterziehen muss. Das Problem – nicht nur bei Polaris – ist allerdings: Die Zuschauer merken durchaus, wenn sie für Werbemaßnahmen verkauft werden sollen, bzw. wenn man ihnen was verkaufen will. Gut laufen tut immer der Content, der von Herzen kommt. Eher schlecht laufen Serien, die speziell auf die Bedürfnisse von Werbekunden hin „optimiert“ wurden. Bei den Netzwerken sieht man das allerdings nicht als fundamentale Wahrheit an, sondern als Widerstand, den es durch schlaue Wahl des um die Werbung herumdrapierten Contents zu überwinden gilt. So kommt es, dass sowohl in Deutschland als auch in den USA die MCNs seit Jahren wieder und wieder sozusagen mit Scheiße werfen, in der Hoffnung, dass mal irgendwas davon verfängt und somit ein Format gefunden wird, mit dem man den Zuschauern möglichst einträgliche Werbung unterjubeln kann, und von dem die Viewer aber trotzdem gerne mehr haben wollen. Es ist ein wenig wie die Suche nach dem Heiligen Gral.

Im Falle Maker sollte jetzt also ein Game Jam dieses heilige Vehikel sein. Wenn man liest, was Jared Rosen schreibt, gibt es allerdings keinen Grund anzunehmen, dass diese Sendung besser gelaufen wäre als die ganzen vorherigen Maker-Werbe-Uboote. Penetrantes Mountain-Dew-Placement ist selbstredend total das, worauf die Youtube-Zuschauer stehen.

Diese ganze Praxis brachte uns in Deutschland jüngst den Schleichwerbe-Skandal um Mediakraft und Y-Titty, wo es sich um die Frage dreht, ob es nach deutschem Recht genug ist, wenn sich einer im Video hinstellt und Samsung für das Smartphone dankt, das danach prominent in dem Video gezeigt wird. Auch in den USA gibt es übrigens Regelungen gegen Schleichwerbung. Ein Disclaimer „this video is part of a paid promotion for xyz“ ist dort genug. Eigentlich hat da auch keiner ein Problem mit. Trotzdem gibt es auf beiden Seiten des Atlantiks immer mal wieder Versuche durch die MCNs, loopholes in den Schleichwerbe-Regeln zu finden und auszunutzen (ja, Polaris Mobile Countdown, ich gucke dabei auf Dich. Oder auf Machinimas #XB1M13). Dies natürlich mit der Überlegung im Hinterkopf, dass der Content vielleicht höhere Reichweiten erzielt, wenn die Zuschauer nicht merken, dass sie verkauft werden. Die Praxis zeigt allerdings, dass das nicht funktioniert.

Herzallerliebst sind übrigens auch die sonstigen in dem Artikel beschriebenen Begleitumstände der Produktion. Da ist die Rede von funktionsuntüchtigen, virenverseuchten Workstations, weil irgendeine Leuchte eine raubkopierte Variante der Adobe Creative Suite auf den Geräten installiert hatte. Eine der Top-Youtube-Adressen kriegt es wie berichtet auch nicht hin, ihre Leute mit vernünftigen Headsets und Mikrofonen auszustatten. Und jetzt im Nachgang, wo alle ein gewisses Mitteilungsbedürfnis über ihre Erlebnisse bei dieser Veranstaltung haben, stellt sich heraus, dass es Leute gab, die den inakzeptablen Knebelvertrag nie unterschrieben haben, aber trotzdem am Tag X als Hauptdarsteller teilnehmen durften. Das ist alles echt typisch für die Firma Maker… Es passt wie Arsch auf Eimer. Man kann den Laden nur beglückwünschen, dass sie jüngst von Disney aufgekauft wurden. Disney kann man nur bedauern, dass sie sich so einen Saustall eingetreten haben. Vielleicht bringt Disney da jetzt mal ein bisschen Zug rein. Sicher dürfte sein, dass für diesen 400k$-Totalschaden Leute bei Maker ihren Job verlieren werden. In der US-Youtube-Community freut man sich am heutigen Tag, dass von der ganzen Aktion vielleicht ein Signal ausgeht, es mit der Kommerzialisierung des Youtube-Contents nicht zu übertreiben.

Wenn ich die Firma Maker wäre, ich würde aus dem vorhandenen Filmmaterial jetzt eine Webserie über eine Reality-TV-Produktion mit exzessivem Mountain-Dew-Sponsoring machen, die dann als Höhepunkt spektakulär scheitert. So könnte man aus dem versenkten Geld wenigstens noch etwas Value ziehen. Kursorische Prüfung der üblichen Diskussionsorte wie Twitter, Reddit und 4chan zeigt, dass für sowas wohl ein Markt vorhanden wäre 😉

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