Skurrile Quantenwelt

Momentan arbeite ich daran, einen gewissen Rückstand wieder aufzuholen, der sich in meiner Bundeswehrzeit ergab. In Hemer sah es einige Zeit so aus, als würde ich in den nächsten Monaten viel Zeit für viele viele Bücher haben. Ich war damals ein glorreicher Poststellen-Soldat und hatte in dieser Funktion viel Zeit zum Lesen, weil im Postbüro einfach nie genug Arbeit für drei Mann anfiel (aber das Büro mit drei Männekes zu besetzen war schon sinnvoll – ein Militärkraftfahrer, ein obligatorischer Beifahrer desselbigen und ein heldenhafter Soldat der während der Ausflüge mit der Postpritsche das Postbüro verteidigt). Das war eine Zeit, in der ich wahllos irgendwelche Bücher vom Bestsellerstapel bei Karstadt abgriff, um nur ja nicht trockenzulaufen im Postbüro. Einziges Kriterium war, dass die Bücher nicht nach Liebesschnulze ausehen durften. Und so kam es, dass ich in meiner Not Meterware von John Grisham verschlang. Ich habe sogar Schätzings "Der Schwarm" gelesen, obwohl ich mir noch ein halbes Jahr vorher geschworen hatte, diesen Autor niemalsnicht auch nur mit der Kneifzange anzufassen, weil er in "Der Schwarm" mit seiner Schöpfung "USS Independence" die United States Navy übelst vergewaltigt hatte. Doch dann kam alles ganz anders, denn von höherer Stelle war der Umzug der Kompanie nach Ahlen befohlen worden. In Ahlen gab es genügend fähige Panzerpostgrenadiere. Ich landete erstmal wieder im Krankenkraftwagenzug und dann durch eine Serie unglücklicher Umstände im Geschäftszimmer. Eigentlich ein ultimativer Dienstposten für jeden Wehrpflichtigen mit Abitur, aber ich saß nun auf dem Posten eines Kameraden, der gerade mit einer Krebserkrankung kämpfte, und war dank Außenbandanriss auch nicht wirklich gut zu Fuß. Jedenfalls war es mit dem Lesen im Dienst vorbei, und ich saß nun auf einem Stapel bereits beschaffter Bücher. Jetzt in Praktikum hat sich der Stau etwas gelöst. Ich werde daher in den nächsten Wochen ein paar Bücher an dieser Stelle vorstellen.

Den Anfang macht Silvia Arroyo Camejo mit "Skurrile Quantenwelt". Wer ist Silvia Arroyo Camejo? Laut dem Wikipedia-Artikel über sie, den irgendein hilfreicher Geist gestrickt hat, ist sie Deutschlands jüngste Wissenschaftsautorin. Baujahr 1986. Mein Jahrgang ist übrigens schwer im Kommen… Aber was ist hier passiert? Irgendwann hat dieses Mädchen beschlossen, sich für Quantenphysik zu interessieren. Und irgendwann beschlossen, mal ein Buch zu schreiben, um zu testen, ob sie die Dinge verstanden hat. Ãœber einen Physik-Prof kam das Manuskript zum Springer-Verlag und wurde von diesem veröffentlicht. Kräftig Medienrummel losgetreten wurde natürlich auch. Stellenweise fiel der Begriff "Wunderkind".
Das Buch erhebt den Anspruch, eine Klasse über den gängigen populärwissenschaftlichen Werken zur Quantenphysik zu spielen, die meist ganz ohne mathematischen Formalismus auskommen. Bei Arroyo Camejo gibt es Formeln, allerdings beschränken die sich auf wenige Seiten im Buch, und sind auch mit Schulmathematik gut fassbar. Doppelspaltexperimente, Heisenbergsche Unschärfe, Schrödinger (der Mann mit der Katze), Bohmsche Mechanik, EPR ("Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass die Welt, in der wir leben, tatsächlich so verrückt ist, dass Teilchen B es sehr wohl (wie auch immer) mitkriegt, wenn wir an A eine Messung vornehmen"). Das Buch bietet Konversationswissen zur Quantenphysik, und macht vielleicht beim ein oder anderen Leser Lust auf mehr. Ein Buch von jungen Menschen für junge Menschen – wenn auch vor allem gegen Ende aus irgendeinem Grunde mit der heißen Nadel gestrickt. Die Rächtschreibfehler häufen sich dann nämlich. Sollte Springer vor lauter Freude über das absehbar gute Geschäft am Lektor gespart haben?

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