Und sie singen immer noch…

Das ZDF ist heute Abend mal wieder seinem rundfunkrechtlichen Auftrag nachgekommen und hat einen gesellschaftskritischen und tragikomischen Film über den Sender gehen lassen. "Freundinnen fürs Leben" heißt der Streifen, und er handelt von einer Mädelsfreundschaft. Und hier an dieser Stelle sitzt jemand, der sich solche Schnulzen dann ansieht. Ich entschuldige mich mal damit, dass die Alternative "Star Trek: Generations" auf Kabel 1 gewesen wäre, den ich nun wirklich schon kenne.

Der Film geht also los, und er beginnt mit einem Schulchor, wo Andrea, Nele und Sophie, unsere drei tagikomischen Heldinnen, singen. Das war vor 15 Jahren. Heute sind die drei immer noch Feundinnen, und auch der Chor existiert noch. Sogar der Chorleiter ist immer noch der selbe. Der Chor ist übrigens aus irgendeinem Grund ein zentrales Motiv in dem Film, wahrscheinlich weil jemand gesagt hat "wir brauchen ein zentrales Motiv in unserem Film". Das Leben hat unsere drei ehemals jugendlich-unbeschwerten Heldinnen voll eingeholt. Sie haben zum Beispiel Karriere gemacht. Sophie ist Ärztin, Nele ist Anwältin, und Andrea ist – ja was eigentlich? Malerin? Mir fällt die richtige Berufsbezeichnung gerade nicht ein. Szenenbildnerin? Bühnenbäuerin? Jedenfalls hat es mit ihrer Karriere nicht wirklich geklappt, dafür hat sie als einzige der drei schon Kinder. Kinder sind in dem Film der Dreh- und Angelpunkt. Andrea hat wie gesagt schon welche, Nele wünscht sich ganz unbedingt mindestens eins, und Sophie will keins, bekommt aber bald eins. Frau Doktor hat hemmungslos rumgevögelt, und es kommen eine halbe handvoll Väter in Frage. Die Leben der drei Frauen sind eigentlich schon lange vorher übelst an die Wand gefahren, bloß wird das erst jetzt mit der Kinderfrage so richtig offensichtlich. Andrea hat ein äußerst gestörtes Verhältnis zu ihren Expartnern und zeigt außerdem eine derbe Stutenbissigkeit. Schlussendlich bringt sie dadurch, man muss es so sagen, fast ihre Tochter ins Grab, die sehr darunter leidet, dass sie aus völlig irrationalen Gründen den Papi nicht sehen darf. Sophie will wie gesagt eigentlich kein Baby, aber wenn es schonmal da ist… eine im Grunde sehr lobenswerte und sehr katholische Einstellung, aber leider ein Rohrkrepierer in der Umsetzung. Der letztendliche Vater ist nämlich nicht so unbedingt der Typ, von dem Frau bei ungetrübtem Bewusstsein unbedingt ein Kind haben wollen würde. Sophies Versuch, einen "richtigen" Vater auszuspannen, scheitert jedoch kläglich. Und Nele? Am Ende helfen alle Temperaturkurven nichts. Sie wird nur durch künstliche Befruchtung Kinder kriegen können. Darüber zerbricht fast ihre Beziehung zu ihrem langjährigen Freund und Rechtsanwalts-Sozius.

Aber eben nur "fast". Das ist überhaupt der Knackpunkt an dem Film. Das Drehbuch weiß einfach nicht, wo es hinwill. Abwechselnd gehen die Dinge in den Arsch, und kurz darauf ist zumindest für den Moment wieder alles gut. Der Film ist übelst weichgespült. Zwischendurch fragt sich der Autor dieser Zeilen, ob er den Ansprüchen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vielleicht nicht gewachsen ist ud einfach nur zu unsensibel ist, um die subtilen Zeichen zu erkennen, dass die Dinge auf eine Katastrophe zusteuern. Passiert aber nicht. Am Ende ist tendenziell viel zu viel Happy-End, von der morbiden Stimmung vom Anfang bleibt am Ende auch nicht mehr viel übrig. Dabei hätte man den Film so richtig schön tragisch enden lassen können. Ich spinne das mal ins unreine: Andrea schafft am Ende ihren Führerschein *nicht*, verliert deshalb ihren Job beim Theater, versöhnt sich auch nicht mit dem Vater der Kinder und steht am Ende vor den Trümmern ihrer verpfuschten Existenz. Meinetwegen lassen wir auch noch ihre Tochter wirklich durch Autounfall zu Tode kommen. Für Nele gilt das gleiche. Ihr Freund muss sich nur von ihr trennen und sie aus der Kanzlei schmeißen. An Sophies schaurigem Ende brauchen wir nicht viel umzuschreiben. Sie ist wohl mit dem Blag gestraft genug. Das arme Kind tut mir auch beim offiziellen Ende des Films schon leid. Es weiß natürlich noch nichts von seinem Glück, aber so eine Mutter hat wirklich niemand verdient. Zu guter Letzt lassen wir auch noch die Freundschaft der Drei in die Brüche gehen, und wo wir schonmal dabei sind, sorgen wir dafür, dass der Schlussauftritt des Chors in die Hose geht. Das wäre doch wohl ein hübscher Film geworden?

Aber so? Es endet wie im Märchen: "Und wenn sie nicht gestorben sind, dann singen sie noch heute…"

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