Bilanzblüten aus Molwanien

Sebastian Hakelmacher ist in Wirtschaftskreisen ein Begriff. Unter diesem Pseudonym veröffentlicht ein ehemaliger Wirtschaftsprüfer seine humoristischen Einsichten ins Rechnungswesen (Hakelmacher = „der, der einen Haken hinter Bilanzpositionen macht“ => Wirtschaftsprüfer).

In „Bilanzblüten aus Molwanien“ zieht Hakelmacher über die Bilanzierung nach internationalen Regeln (International Financial Reporting Standards, IFRS) her. Wer es noch nicht weiß: Anders als in Deutschland, wo die Bilanzierung von Staats wegen gesetzlich im Handelsgesetzbuch (HGB) geregelt ist, um die Gläubiger einer Unternehmung zu schützen, liegt im angelsächsischen und damit internationalen Raum der Fokus weniger auf den Gläubigern, sondern auf den Anteilseignern. Es geht im IFRS weniger darum, frühzeitig eine mögliche Insolvenz in den Zahlen ablesen zu können, sondern den Anteilseignern den „fairen Wert“ ihres Unternehmens auszuweisen. „Fair“ kann in Geld ausgedrückt allerdings alles sein zwischen null und richtig viel Geld. Was auch den wenigsten bewusst ist: Bei IFRS hat man den Bock zum Gärtner gemacht, denn letztendlich geben sich die bilanzierende Unternehmen anders als im HGB ihre Bilanzierungsregeln selbst. Man muss nur jemanden im International Accouting Standards Board haben, der einem die Interessen vertritt. Das führte zu einigen schwer vermittelbaren Bilanzierungs-Kapriolen, die dazu gedacht sind, Großkonzerne bilanziell besser aussehen zu lassen. Zum Beispiel werden erworbene Firmenwerte („Goodwill“) durch Übernahme anderer Unternehmen in IFRS anders als im HGB nicht planmäßig abgeschrieben. Theoretisch können diese Goodwills bis zum Wärmetod des Universums in der Bilanz stehenbleiben und werfen ein gutes Licht auf das Unternehmen. Es muss allerdings ein jährlicher „Impairment Test“ gemacht werden, um zu gucken, ob die Goodwills noch werthaltig sind. Das war der Grund, warum eBay letztens in die Schlagzeilen geriet, weil sie eine außerplanmäßige Abschreibung von einer Milliarde Dollar vornehmen mussten. eBay hatte Skype für wesentlich mehr Geld übernommen, als die reinen Vermögenswerte von Skype wert waren (Gebäude, Computer, Drehstühle, Kaffeemaschinen, whatever…). Die Differenz schrieb sich eBay als Goodwill in die Bilanz. Jetzt brachte der Impairment Test allerdings zu Tage, dass mit Skype wohl auf Jahre kein Geld zu verdienen war. Der Goodwill musste deshalb abgeschrieben werden, was buchhalterisch den Gewinn von eBay in diesem Jahr senkt.

Jetzt mal zurück zu Hakelmacher seinem Buch. IFRS ist also ein völlig durchgedrehtes, überaus auslegungsbedürftiges und unverständliches Machwerk, und damit ein dankbares Ziel für ein wenig hintersinnig-ironischen Galgenhumor. Nicht nur BWL-Studenten kann man mit den IFRS-Regeln quälen. Hakelmacher bleibt allerdings unter seinen Möglichkeiten. Das Buch hat überhaupt nur 70 Seiten Text, und ist im Extremfall in einer Stunde durchgelesen. Auch der Titel kann täuschen. Wer ein paar interessante Räuberpistolen aus der Wirtschaftsprüferpraxis über besonders kreative Zahlendrehereien erwartet hat, was der Titel „Bilanzblüten“ ja nahelegt, ist hier falsch. Er beschränkt sich fast ausschließlich darauf, die IFRS-Standardsetzung durch den Kakao zu ziehen. Wer Bilanzblüten sucht sollte vielleicht lieber eine Jahresabschluss-Vorlesung der FH Dortmund besuchen, wo der Prof früher bei ThyssenKrupp gearbeitet hat und gerne mal erzählt, was sie seinerzeit bei Thyssenkrupp für Dinger gedreht haben, um die Bilanzen blühen zu lassen – nein, natürlich nichts illegales. Bilanzierung ist einfach Auslegungssache.

Dieser Beitrag wurde unter Uncategorized veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.