Star Trek Online – Spielinhalt

Nun also zur Frage "wie spielt sich STO denn nun?" Ich werde hierzu ein paar Vergleiche zu EVE Online ziehen. Zum einen, weil beide im Weltraum spielen, zum anderen, weil es das einzige MMORPG ist, das ich über wirklich längere Zeit gespielt habe.

STO spielt im "Prime Universe", also nicht in der kaputten Zeitlinie des neuesten ST-Films von J.J. Abrams. Das Spiel ist 30 Jahre nach ST:Nemesis angesiedelt, im Jahr 2409. Das ist reichlich viel Zeit, und bedeutet, dass der Großteil der bekannten Charaktere aus den Fernsehserien wohl längst in Rente ist. Selbst die ehemaligen Youngsters wie Ezri Dax (so es sie denn noch geben sollte) sind nach so langer Zeit inzwischen alt und grau und faltig. Nein, die Sternenflotte wird inzwischen von der ehemals allerjüngsten Garde am Laufen gehalten: Naomi Wildman (die kleine sechsjährige Kackbratze von der Voyager) hat es inzwischen zum Commander gebracht, und Miral Paris (das Kind der Voyager-Offiziere Torres und Paris) ist immerhin Lieutenant.

Klingonische Allianz, Borg, Undine (the artist formerly known as Spezies 8472), Romulaner… STO spielt zu einer Zeit, als scheinbar alle gegen die Föderation sind. Vielleicht hat Cryptic es etwas übertrieben. So viele Feinde, das kann eine politische Allianz wie die Föderation zum Zerbrechen bringen. Bei genauerem Hinsehen hat sich das klingonische Empire aber in einem verlustreichen Krieg mit den Gorn aufgerieben, die Romulaner müssen die Zerstörung ihres Heimatplaneten verkraften (siehe den neuesten Star Trek Film), die Cardassianer sind 30 Jahre nach Ende des Dominionkrieges gerade wieder so auf die Füße gekommen, die Borg sind dank Captain Janeways Aktionen noch immer geschwächt. Bleiben die Undine als einzig wirklich ernstzunehmender Gegner. Trotzdem machen auch die anderen Fraktionen mehr als genug Ärger. Man muss wohl aus besonders hartem Holz geschnitzt sein, wenn man in solch finsteren Zeiten Dienst in der Sternenflotte schiebt. Soviel Kampf, das schreit geradezu nach harten Jungs und Mädels mit Biografien wie einst Tasha Yar: "Auf einem gesetzlosen Planeten aufgewachsen, früh gelernt sich durchzusetzen, mit 16 Jahren den ersten Frachter voller Pergium geflogen, danach Starfleet gejoined und eine Kampfsau geworden" oder so.

Seit der Open Beta sind alle gängigen Föderationsrassen an Bord, darunter auch die von mir heiß und innig geliebten Trills. In der Closed Beta musste ich mir meine Trill-Dame noch per Hand über die Unknown-Alien-Rasse stricken. Wie alle Cryptic-Spiele lässt sich auch STO bei der Customization der Characters nicht lumpen. Nach der Erstellung eines Characters beginnt das Spiel mit einem Paukenschlag. Als kleiner Ensign findet man sich inmitten eines Borg-Angriffs wieder. Dies wird als Tutorial genutzt. Am Ende sind alle höherrangigen Offiziere des eigenen Schiffs tot. Als Dank für die heroischen Taten wird man zum Lieutenant befördert (den in Star Trek dazwischengeschalteten Rang des LT junior grade kennt das Spiel nicht) und wird permanent zum kommandieren Offizier des Schiffs ernannt. Dabei handelt es sich um Varianten der Miranda- oder Excelsior-Klasse. Diese Schiffe sind im Jahr 2409 mindestens 130 Jahre alt. Da kann der kleine unerfahrene LT wenigstens keinen großen Schaden anrichten…

Star Trek Online Beta Impressionen

[LCDR Kalasha Hzabi, mein Character aus der Open Beta, und ihr Außenteam. Mögen sie alle in Frieden ruhen, denn sie fielen dem Character Wipe am Ende der Beta zum Opfer]

Man sollte sein Anfängerschiff lieben lernen, denn man kommt erst nach geschätzt 20 Spielstunden da raus, wenn man nämlich Lieutenant Commander wird. Ab jetzt wird einem zunehmend weniger geschenkt. Die Klingonen schicken jetzt Boarding Parties rüber, die Gorn halten sich auch nicht mehr zurück und verteilen herzhaft Giftbisse – man kann dann für einen Moment nicht weiter kämpfen, weil man größere Mengen Mageninhalt auf dem Fußboden verteilt. Das ist der Punkt, wo man sich kurz fragt "hätte ich bei der Character Creation vielleicht doch besser die 10 % Resistenz gegen Giftattacken wählen sollen?". Auch die bei Trills angeborene Resistenz gegen Toxic Damage half nicht wirklich weiter. Es hilft also alles nichts, und man kommt dann schnell auf den Trichter, sich einfach immer ein paar Meter von den Gorn fernzuhalten.

Der Raumkampf ist viel taktischer als in EVE. Dort erschöpft er sich im wesentlichen darin, Shield und Capacitor zu beobachten und ansonsten einfach zu warten, bis das feindliche Schiff platzt. In STO dagegen muss ich manövrieren, immer das stärkste Schild zum Feind hin halten und differenzierte Taktiken gegen kleine und größere Gegner anwenden Das Spiel belohnt mich, wenn ich ein guter Pilot bin, denn man ist schneller fertig mit den Feinden, wenn man gezielt immer wieder in die sich gerade bietende Schwachstelle des Gegners stößt.

Star Trek Online Beta Impressionen

[Die USS Chian’dara, mein letztes Schiff in der Beta, eine reinrassige Saber-Klasse. Im Hintergrund die Erde]

Draußen in den Previews wird meistens der Space Combat besonders gelobt. Ich persönlich mag den Ground Combat aber noch lieber. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich auf einen Planeten runterbeamen kann – okay, bis auf das eine Mal, wo wir uns in einem elenden Sandsturm wiederfanden. In Echt würde niemand sich in so einen Sturm begeben ohne einen Environmental Suit. Ich habe ziemlich geflucht, bis ich – fast ohne Sicht – die fünf Seismografen gefunden hatte, um die ich mich kümmern sollte. Das Außenteam dürfte nach dieser Aktion ziemlich viel Sand im Höschen gehabt haben. Diese Mission wurde dann bereits in der Open Beta etwas entschärft. Ein Tipp noch: Man verachte den Nahkampf nicht. Trotz aller Kompressionsphasergewehre geraten die Kämpfe in STO gerne mal im positiven Sinne außer Kontrolle. In solchen Situationen retten ein paar Nahkampf-Moves den Tag – und sehen cool aus.

Im PvE-Bereich wird in Form so genannter "Episoden" eine Story mit mehreren Fäden und unerwarteten Wendungen erzählt. Cryptic hat da ein paar gute Leute eingekauft, die bereits erfolgreich im Bereich Star Trek publiziert haben, und sich wirklich mit dem ST-Universum beschäftigt haben. Ich konnte bislang keine groben Schnitzer entdecken wo ich sagen musste "das widerspricht jetzt aber dem Canon". Im Gegenteil: Wer ein Faible für das Weiterspinnen der ST-Geschichte nach DS9/Voyager/Nemesis hat, der muss STO einfach mögen. Unter den Episoden sind einige echte Highlights. Mein persönlicher Favorit ist bislang "City on the Edge of Never", eine Episode, die mich zunächst zum "Guardian of Forever" führte, einem aus der alten Serie von 1960 bekannten Zeitportal, und sodann weiter in die Vergangenheit zur Zeit Kirks, um die Zeitlinie wieder herzustellen. Diese Episode zeigt meiner Meinung nach das große Potenzial, was in STO steckt. Leider sind noch nicht alle Missionen so gut durchgestaltet wie diese Perle.

Star Trek Online Beta Impressionen

["Erinnerungsfoto". Das Außenteam vor dem Guardian of Forever, nachdem die Zeitlinie wieder geradegerückt ist]

Daneben gibt es Patrol-Missionen, das sind kleine Mini-Episoden, die weniger Zeit beanspruchen. Diese waren in der Closed Beta etwas unbeliebt, weil Missionen vom Typ "fliegen Sie mal raus und kommen Sie erst wieder, wenn Sie 20 tote Klingonen vorweisen können" darunter waren. Das wurde geändert, und einige davon bewegen sich qualitativ nahe am Niveau einer ausgewachsenen Episode.

Zum Dritten kann man in viele Sternensysteme reinfliegen und erlebt dann dort eine Überraschungsmission. Da sind Frachter zu retten oder diplomatische Dispute zu lösen. In die gleiche Richtung gehen auch die Exploration Clusters, wo es zufallsgenerierte kleine Missionen gibt. Man kann sich auch am Strand von Risa fläzen, allerdings fehlt meiner Meinung nach im Moment die Möglichkeit, sich dort statt in Uniform in Badekleidung zu präsentieren. Mal gucken, ob das angesichts der Nackte-Haut-Panik in den USA jemals implementiert wird…

Stichwort diplomatische Dispute. Man vertue sich nicht. In STO geht es vor allem um Kämpfen. Nicht-Kampf-Missionen sind dünn gesät und qualitativ eher mau. Auch ein differenziertes Wirtschaftssystem gibt es derzeit nicht. Damit kommen wir zum ersten Kritikpunkt. Cryptic sollte sich dringend etwas überlegen, wie man für Langzeitmotivation sorgen kann, nachdem man die Story durchgespielt hat. In EVE ist das beispielsweise die Teilnahme am Wirtschaftskreislauf. In STO kann man derzeit keine Steine kloppen und daraus etwas herstellen. Und während ich STO zum Release für Freunde des PvE wirklich empfehlen möchte, sollten PvP-Freunde wohl lieber noch etwas warten. Der ganze PvP ist derzeit nur recht rudimentär und unbalanciert. Auch hier fehlt Langzeitmotivation, weil es keine Raumgebiete gibt, um deren Ressourcen man sich zwecks Ausbeutung der selbigen kloppen könnte.

Per Default wird man mit anderen, unbekannten Spielern aus anderen Instanzen zusammengeschmissen, wenn diese gerade die selbe Mission starten. Insbesondere im Space Combat tut man derzeit jedoch gut daran, dieses Auto Teaming abzuschalten, und zwar aus folgendem Grund: Wenn ein weiterer Spieler dazustößt, wird die Mission automatisch hochskaliert, es gibt dann mehr und dickere Gegner. Wenn jedoch der andere Spieler die Instanz wieder verlässt (weil er vielleicht keine Lust hat) wird die Instanz nicht wieder herunterskaliert. Man kann es dann allein nicht mehr schaffen, die Gegner wegzuputzen und muss von vorne anfangen. Deshalb spiele ich zumindest das Spiel sozusagen als "Massively Singleplayer Online Role Playing Game". Im Bereich Ground Combat bedeutet das, dass man mit KI-gesteuerten Brückenoffiziere auf die Pirsch geht. Diese machen ihre Sache aber so gut, dass man zumindest die Missionen die ich bis jetzt gesehen habe, gut Solo spielen kann.

Was ist sonst noch zu sagen? Das Beta-Schlussevent war ein wenig für die Tonne. Hier zeigten sich deutlich die Grenzen der instanzierten Spielwelt. Die Klingonen-Spieler bekamen Gelegenheit, die Föderation zu invasionieren. Es hätte flankierender Maßnahmen bedurft, zum Beispiel spawnen von zusätzlichen NPC-Klingonen oder eine Variation der Spawnpoints, damit dieser Open PvP funktioniert hätte. So wurde die Sache leider zur Massenvergewaltigung wehrloser Klingonen, denn diese spawnten grundsätzlich einzeln und an immer den gleichen Stellen. Koordiniert vorgehen konnten sie auch nicht, da nur schwer zu steuern war, in welche Instanz man gesteckt wird. Später folgte eine Borg-Invasion. Das war eine um Längen bessere Idee, aber der schale Nachgeschmack blieb.

 Star Trek Online Beta Impressionen

[Kalasha kriegt beim Beta-Schlussevent von den Borg auf die Mütze]

Leider kann STO nicht verleugnen, dass über dem Entwickler das Damoklesschwert eines festgelegten Releasetermins schwebte. Freunde des PvE und entspannte Trekkies können wohl trotzdem bedenkenlos zugreifen, denn die PvE-Storys und Missionen machen bereits jetzt einen Heidenspaß. Für Hardcore-Trekkies, die ein Problem damit haben, dass in diesem Spiel auch Föderationsschiffe Disruptorwaffen tragen können, ist STO aber nichts und wird auch nix werden, weil es eben kein sklavischer Abklatsch des Fernsehuniversums ist, sondern ein Spiel, das Spaß machen will. Ich bin mal gespannt, inwieweit sich Roleplaying im Spiel entwickelt. Die Brücke als wichtigster Ort im Schiff ist zum Release bereits vorhanden. Dort könnte man sich treffen und unabhängig von Spielinhalten irgendwelche Szenarien abhalten. PvPer warten besser noch, bis Cryptic etwas nachlegt. Crafter und ähnliche handwerklich interessierte Menschen sowie Händler sind bei STO vorläufig falsch, weil es nichts zu basteln gibt und der Handel leider nicht sehr tiefgründig ist. Das Spiel wird hoffentlich ein großer Erfolg werden. Selbst wenn es zum Release nicht perfekt ist – das Spiel kann sich dies wohl erlauben, weil es eben das lang erwartete Star Trek MMO und nicht irgendein Gurkenspiel ohne Marke ist. In diesem Sinne, live long and prosper!

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