The Needs of the Many – Das Buch zum Spiel

So langsam wird es üblich, auch Computerspiele medienübergreifend zu vermarkten. Da gibt es dann zu einem Spieleuniversum Filme, Bücher, Brettspiele und allerhand sonstigen wertlosen Tinnef, auf dass die Kassen der Lizenzgeber sprudeln mögen.

In diese Richtung geht auch "The Needs of the Many" von Michael Martin. Das ist zunächst mal nur ein weiterer Roman im Star-Trek-Universum. Was ihn besonders macht, ist seine Ankopplung an das Rollenspiel "Star Trek Online". Für Leute, die bereits in der STO-Geschichte zuhause sind, ist das wichtigste in diesem Buch wohl der Anhang: Erstmals findet der geneigte Fan die vollständige STO-Zeitlinie abgedruckt, also auch den von Cryptic Studios bisher nicht veröffentlichten Teil von 2393 bis 2409. Das war’s, wir könnten alle nach Hause gehen. Ach, stopp, ein paar Geschichtchen rund um die STO-Hintergrundstory gibt es auch noch. Mit ein paar Jahren Abstand wird uns rückblickend etwas über den Krieg der Föderation mit den Undine erzählt.

Nicht jedermanns Sache dürfte der Interview-Stil sein, in dem das Buch überwiegend geschrieben ist. Da es allerdings keine Hauptpersonen gibt, denen das Buch entlang eines Handlungsstrangs folgt, ist diese Wahl durchaus sinnvoll. Als Interviewer dient Jake Sisko, die jugendliche Kackbratze aus DS9, die inzwischen aber auch ein stattliches Alter erreicht hat. Interviewpartner sind zum überwiegenden Teil bekannte Leute aus dem ST-Universum, die dann erhellende Dinge zum Undine-Krieg sagen, darunter Kathryn Janeway, Schneidermeister Garak, die Timecops Dulmer und Lucsley, Worf, Kassidy Yates und andere mehr.

Wir erfahren, dass Data, nachdem man ihn in B-4s Körper wiederbelebt hat, einen Selbstmordversuch unternahm. Der arme Worf plagt sich mit dem Gedanken, ob er ein Deepcover-Agent der Undine ist, ohne es zu wissen. Dulmer, der Mann von der temporalen Ermittlung, hat von seinen Aktionen während des Undine-Krieges eine temporale Psychose überbehalten. Zu den schrägeren Ideen, wie man versucht hat, den Krieg zwischen der Föderation und den Klingonen zu verhindern, gehört ein Baseballspiel zwischen den Gorn und einem Baseballteam vom Planeten Cestus. Der Gewinner würde einige umstrittene Grenzplaneten bekommen, und die unterlegene Partei würde einfach so nach Hause gehen. Diese wirklich verwirrte Idee ist auf dem Mist von Kassidy Yates gewachsen. Und auf der vorletzten Seite holt der Autor nochmal richtig den Hammer raus. Rene Picard ist das Kind von Jean-Luc und Beverley Crusher. Okay, man wundert sich, dass die alte Schabracke nach 2379 noch im gebärfähigen Alter gewesen sein soll, aber gehen wir mal davon aus, dass die Reproduktionsmedizin im 24. Jahrhundert etwas weiter ist als heute. Aber dieser Rene ist verheiratet mit einer gewissen Natasha Miana, die ihrerseits das Kind von Will Riker und Deanna Troi ist. Was für ein Inzuchtverein… Die Kinder aus der Ehe Rene-Natasha haben dann Picard, Riker, Troi und Crusher als Großeltern. So eine Konstellation ist normalerweise ein Garant dafür, dass die Kinder das Erbe verjuxen und auch sonst aus dem Rahmen fallen, denn so große Fußstapfen kann man gar nicht ausfüllen.

Ro Laren ist auch in diesem Roman nicht dem Dominion zum Opfer gefallen, sondern hat es mal wieder zum Lieutenant gebracht und ist jetzt Sicherheitschefin auf DS9. Dass so eine Figur nicht einfach so der Nacht der langen Messer zum Opfer fiel, als der Maquis ausradiert wurde, darin sind sich ja alle Romanschreiber einig. Wie sie das geschafft hat, dazu wurden verschiedene Dinge geschrieben. Entweder, weil sie gerade tomatenzüchten war (nicht sehr heldenhaft…) oder weil sie einfach verdammt gut darin war, zu überleben. Die kratzbürstige Ro war zu Zeiten der TV-Serie eine Figur, die viele Fans vom Fleck weg faszinierte. Nach Quellenlage gab es wohl ernsthafte Versuche, die Schauspielerin (Michelle Forbes) für die reguläre Crew zu gewinnen, aber Forbes konnte irgendwie einfach nicht ja sagen. Anders ist der dreijährige Eiertanz um die Figur Ensign Ro nicht erklärbar. Mehr als einmal wurden von den Drehbuchautoren Brücken gebaut, um Ro in die nächste Star-Trek-Serie hinüberretten zu können. Als Bajoranerin sollte sie ursprünglich den Platz von Major Kira in DS9 einnehmen. Und noch in der vorletzten TNG-Folge wurde in der zu Ende gehenden Serie ein neuer Handlungsstrang gestrickt, über den man Ro in die Voyager-Crew hätte integrieren können, als sie nämlich zum Maquis desertierte. Aber es hat alles nicht sollen sein, Forbes wollte sich nicht auf Star Trek festlegen. Das weitere Schicksal dieser Figur wurde so zum Fall für die Romanautoren. Im vorliegenden Buch spielt Ro allerdings nur eine kleine Nebenrolle.

LaForge kriegt auch in der STO-Zeitlinie seine Leah (Leah Brahms, die Warpantriebsspezialistin, zu sehen in 2 TNG-Episoden). An der Figur der Leah ist die dahinterstehende Schauspielerin sehr interessant, Susan Gibney. Die wenigsten wissen, dass diese fast zu Captain Janeway geworden wäre. Kate Mulgrew war eigentlich nur die dritte Wahl. Erste Wahl war Genevieve Bujold. Das war ein Reinfall, weil diese Schauspielerin von Stimme und Statur her keinen taffen Captain rüberzubringen imstande war. Nachdem Bujold gefeuert war, wurden nicht nur Screentests, sondern nahezu der komplette Dialogteil des Voyager-Pilotfilms mit Gibney gedreht. Das war ein in der Geschichte von Star Trek  einmaliger Vorgang. Letztlich kam allerdings dabei nur heraus, was man aus den Castings eigentlich ohnehin schon wusste: Gibney wurde als zu jung empfunden.

Zurück zum Thema. Vom Buchrücken und den sonstigen Informationen zu dem Buch könnte man zu dem Schluss kommen, dass einem hier die Geschichte des Undine-Krieges erzählt würde. Diesen Anspruch kann das Buch nicht halten, und soll es auch gar nicht. Erzählt werden Geschichten vom Krieg, nicht die Geschichte des Krieges. Nach der Lektüre weiß ich genau gar nichts über den Verlauf des Krieges. Der glorreiche Sieg wird zwar immer wieder erwähnt, wie er aber zustande kam, darüber wird der Mantel des Schweigens gebreitet. Wahrscheinlich ist das Absicht. Entweder behält Cryptic sich vor, diese offenen Fragen später selbst zu beantworten, oder sie sind ein Fall für weitere Romane im STO-Dunstkreis.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.