Felicia Day hat ihre Memoiren geschrieben („Your’re Never Weird on the Internet“). Der massiven Werbung dazu auf Geek & Sundry konnte man sich ja auch kaum entziehen. Eine Memoire mit 35 Jahren – dann kann sie ja jetzt sterben gehen… Naja, ich geh mal davon aus, dass in einigen Jahren nochmal eine weitere Autobiografie fällig wird.
Einiges was man schon immer wissen wollte, wird beantwortet. Einiges aber auch nicht. Wie war das zum Beispiel mit ihrer Hippie-Familie, wo der Vater aber Militärarzt war? Wie geht das zusammen? Und wie kriegte man eigentlich einen Fuß ins Whedonverse und kam zu einer wiederkehrenden Rolle in Buffy?
Dass aus Frau Day irgendetwas bedeutendes wurde, fasziniert mich bis zum heutigen Tage. Andere haben jahrelang Schauspiel auf Hochschulniveau studiert und kriegen in Hollywood kein Bein auf die Erde. Und da kommt dann Felicia Day, ohne wirklich nennenswerte Vorbildung oder einschlägigen Abschluss (man muss es sich mal auf der Zunge zergehen lassen – sie ist eigentlich Mathematikerin), und hat against all odds aufgrund von Zufällen die das Leben schreibt einen gewissen Erfolg, von dem sie fortan leben kann. Aber eine wirklich überzeugende Erklärung, warum sie überhaupt Actress wurde, liefert auch das Buch nicht. Wahrscheinlich weiß sie das selber nicht. Aber manchmal hat man eben so Eingebungen…
In der Werbung für „You’re Never Weird on the Internet“ kapriziert sich der Verlag sehr darauf, dass man in der Memoire endlich alles über Days Jugend und den Einfluss ihrer Herkunft auf ihren kreativen Werdegang erfahren würde. Das stimmt durchaus, macht aber nur das halbe Buch aus. Quasi als undokumentierte Dreingabe bekommt der Leser allerdings noch die zweite Hälfte des Buches, die sich am besten als „dunkle Kapitel“ beschreiben lässt. Man erreicht beim Lesen einen Punkt, wo man sich sagt „okay, keiner der Promis, die mit Testimonials auf dem Buchrücken abgedruckt stehen, hat offenbar das ganze Buch gelesen, oder jedenfalls nicht die letzten Kapitel – sonst hätten sie das in ihrem Testimonial erwähnt…“.
Das Buch ist unter anderem quasi die offizielle Chronik, wie die erste Staffel von The Guild entstand. Einiges hat man ja gewusst, zum Beispiel dass Day World-of-Warcraft-abhängig war. Nach der Lektüre muss ich allerdings sagen: Meine Fresse, was war das damals für ein Krampf… Wer schonmal irgendetwas Kreatives auf die Beine gestellt hat, kann halbwegs nachfühlen, wie es sich angefühlt haben muss: Kreativität ist eben 10 % Inspiration und 90 % Transpiration. Wahrscheinlich hat auch jeder Künstler mehr oder weniger stark das Impostor-Syndrom. Aber wenn man wie Day noch dazu an latenten Angststörungen leidet, wird die Sache natürlich nicht einfacher. Dass da was im Busch war, konnte ja jeder sehen, der mal mehr als ein paar Videos mit Felicia Day angeschaut hat. Therapy und Therapists waren all die Jahre immer ein Thema. Da kann man wirklich nur sagen, Hut ab! Für jemanden mit solchen Mental-Health-Problemen hat sie es weit gebracht. Sie hatte dabei das Glück, dass sie über die Jahre in geschäftlichen Dingen immer recht gut beraten wurde. Nicht auszudenken, was wohl passiert wäre, wenn The Guild oder eine ihrer Produktionsfirmen frühzeitig in den Teich gegangen wären…
Dann geht es weiter. Das von ihr gegründete Startup Geek & Sundry und die letzte Staffel von The Guild. Irgendwann schreibt Day „Keep reading, it gets worse!“ Oh ja. Es sollte schlimmer kommen, und es kam schlimmer… Mit einer Stammcrew von 8 Mann ein Programm im Umfang von G&S in seinem ersten Jahr zu machen, oder die Guild Season 6 zu schreiben war für Day kein Spaß. Man bekommt beim Lesen einen ziemlichen Drang, sich Teile des G&S-Programms nochmal neu reinzuziehen, und dabei auf gewisse Dinge zu achten. Dass Day vor lauter Stress Magenprobleme hatte, wusste man ja. Welches Ausmaß dieses Drama annahm, weiß ich erst seit dem Buch. „+20 to throat cancer“… Wo ich seinerzeit auch nicht von selbst drauf gekommen bin: Wieviel autobiografische Elemente in der Figur des Floyd Petrovski aus The Guild Season 6 enthalten sind. Geklärt wird auch die Frage, warum es keine Guild-Staffel 7 geben konnte. Immerhin hat Day mal wieder die Kurve gekriegt. Es war gut und richtig, Geek & Sundry zu verkaufen, so lange die Firma noch was wert war.
Genauso wie die seit einiger Zeit auf Days privatem Kanal auftauchenden Videos ist also auch das Buch kein bloßer Fan Service, sondern Teil einer Therapie zu der man ihr geraten hat. Das Ding muss irgendwie seit Ende 2013 in Arbeit gewesen sein. Leider ergab es sich, dass während der Projektlaufzeit etwas passierte, das zu den sowieso schon dunklen Kapiteln „Guild“ und „Geek & Sundry“ noch einen quasi „krönenden Abschluss“ erforderlich machte: Gamergate – die Kabale, die sich laut Selbstbeschreibung natürlich ausschließlich darum drehte, den Spielejournalismus von korrupten Einflüssen zu reinigen…
Also: Man bekommt für das Geld ein ernsteres Buch, als man anhand der irreführenden Klappentexte vielleicht vermuten würde. Es ist auch Gottseidank nicht durchgängig so konfus geschrieben wie einer der Abschnitte zu Fan-Conventions, den Day vorab in einem Video verlas. Danach hatte ich ehrlich gesagt die heimliche Sorge, dass eine berufsmäßige Drehbuchschreiberein womöglich nicht in der Lage wäre, ein kohärentes Buch zu schreiben. Das hat sich so nicht bewahrheitet. Es ist gut lesbar.