Falls jemand sich nicht mehr sicher war, wo zum Beginn von Life Is Strange Episode 5 der Hammer hängt:
Eine Kamera, ein Stuhl. Mehr braucht es eigentlich nicht, um es hier und jetzt zu Ende gehen zu lassen. Sterben in einem Bunker unter einer Scheune irgendwo am A.d.W. in Oregon. Wie wär’s? Hieraus zu entkommen, entpuppt sich allerdings (nicht unerwartet) als lösbare Aufgabe. Wie sich rausstellt, liegen die wirklich weltbewegenden Probleme ganz woanders. In Episode 5 nehmen wir quasi die bereits in den vergangenen Episoden durch uns übel zugerichtete Realität, rühren dreimal um, und drehen sie durch den Fleischwolf. In Episode 5 nimmt die Raumzeit dank unserer ständigen und fortgesetzten Manipulationen endgültig Schaden.
Lieber Spieler, wir müssen mal intensiv darüber reden, was Du in den letzten 5 Episoden getan hast! Hast Du wirklich geglaubt, das ganze Fummeln an der Zeit würde ohne Folgen bleiben? Hast Du gedacht, Du hättest kraft eigener Arroganz auch noch die Fähigkeit, das Problem mit dem Sturm zu lösen, so dass alle überleben? Auch Rachel Amber? Wie naiv von Dir!
Max landet jedenfalls dank ihrer Aktionen quasi in einem extra für sie reservierten Eckchen der Hölle. Und dort kommen dann sämtliche begangenen Sünden der vergangenen Episoden und alles was vielleicht noch unausgesprochen geblieben war nochmal auf den Tisch. Markanterweise gibt es die einzige der aus den vorhergehenden Episoden bekannten „Sitzgelegenheiten“ diesmal in dem besagten Höllen-Alptraum. Und auch das Mobilfunknetz in der Hölle ist übrigens sehr gut ausgebaut 😉 Also: Think about what you have done!
Die ganze Episode dreht sich diesmal weniger um Handlung, und mehr um Zurückschau. Es gibt nur noch eine ganz große Entscheidung zu treffen, die dann zu einem von zwei Spielenden führt. Das eine Ende ist leider erheblich schöner ausgearbeitet als das andere. Deshalb denke ich, dass das weiter ausgearbeitete Ende quasi the way it’s meant to be played darstellt. Durch die Kürze des zweiten Endes ist natürlich der Vorwurf nicht weit, dass Dontnod hier ein Mass Effect 3 gepullt hat. Und tatsächlich ist es laut Dontnods Game Director Michel Koch so, dass hier leider Zeit und Budget eine Rolle gespielt haben. Aber außer dass es zu kurz ist, kann ich dem kurzen Ende bei näherem Nachdenken nicht viel vorwerfen. Es gibt gute Gründe, sich für diesen Lauf der Dinge zu entscheiden. Und die Auswertungen am Ende der Episode zeigen ja, dass die Nutzerbasis sich hälftig zwischen den beiden Enden verteilt. Also hat der Hersteller hier die Kurve noch knapp gekriegt.
Life Is Strange war jedenfalls sein Geld mehr als wert. Zum soweit ich mich erinnere ersten Mal bei einem Computerspiel habe ich das Gefühl, dass das Spiel für das was hier geboten wurde sogar zu billig war (20 Euro für die fünf Episoden sind quasi wie geschenkt). Auch die Release-Strategie mit den alle paar Monate erscheinenden Episoden war hier die genau richtige Entscheidung. So hielt sich die Spannung immer oben, und man konnte nach jeder Episode erstmal ausgiebig reflektieren – und sich Theorien zurechtlegen wie es denn wohl weitergehen könnte, die dann regelmäßig vom Hersteller getoppt wurden. Minuspunkte nur für das zweite zu kurz geratene Spielende. Gesamtnote 1 aber für den handwerklichen Teil aller Episoden. Auch für die englische Lokalisierung. Die Muttersprache des Spiels ist nämlich Französisch gewesen – aber davon merkt man in vorbildlicher Weise nichts. Und Kudos an Square Enix, die dem Team die künstlerische Freiheit ließen und nicht wie andere im Vorfeld angesprochene Publisher auf das schmale Brett verfallen sind, wesentliche Dinge am Spiel ändern zu wollen (zum Beispiel hin zu einer männlichen Hauptfigur). Life Is Strange Season 1 ist ein Gesamtkunstwerk, bei dem ich dankbar bin, es gespielt haben zu dürfen.
In Life Is Strange sind die in der Hölle schmorenden Eisenbahner auf ewig dazu verdammt, über Gleise ohne Schienenbefestigung zu rollen 😉