It seemed like a good idea at the time… Menschen von unangenehmen Erinnerungen befreien können. Das scheint doch eine erstrebenswerte Technologie zu sein, oder? Was kann daran schlecht sein? Also setzt sich jemand hin und erfindet diese Technik. 20 Jahre später ist aus dem Garagen-Labor des Erfinders ein Multi-Milliarden-Dollar-Konzern geworden. Es gibt einen Markt für Erinnerungen, und der Konzern hat diesen Markt monopolisiert und eine unglaubliche Macht über die Weltbevölkerung angehäuft. Der Konzern ist zum evil empire geworden, und es gibt eine Truppe Freiheitskämpfer, die noch selbstständig denken können und den Rest der Menschheit wieder befreien wollen. Wir kämpfen natürlich auf der Seite der Freiheitskämpfer.
Das ist in wenigen Worten die Story des Computerspiels Remember Me – das Erstlingswerk des französischen Herstellers Dontnod, der in 2015 für das Spiel Life Is Strange viel Lob abgefangen hat.
Remember Me war kein übermäßiger Verkaufsschlager und hat die junge Firma damals fast in den Konkurs getrieben. Man merkt an vielen Stellen – hier wurde im Vergleich zu Life Is Strange richtig teuer produziert, denn es war Geld da. Auch bei Remember Me zeigte Dontnod schon wie später auch bei LiS ein Talent für gute Storys. Die Geschichte ist innovativ und hat mir gefallen. Nur das Gameplay drumherum war grenzwertig. Vermutlich hat der Publisher Capcom da kräftig mit reingeredet, denn Capcom ist hauptsächlich als Prügelspiele-Publisher bekannt.
Der Prügelspiel-Überbau hat dazu geführt, dass ich Remember Me über die gesamte Länge als eher anstrengend empfand und mich mehrfach dazu zwingen musste, weiterzumachen, weil der Schwierigkeitsgrad auch auf unterstem Level eher hoch war. Prügelei ist ansonsten auch überhaupt nicht mein Genre. Kernpunkt der Steuerung solcher Spiele ist, dass der Spieler Combos aus mehreren Tasten am Gamecontroller zeigen soll. Wenn man längere Combos hinbekommt, macht man mehr Schaden. Ich muss aber gestehen, dass ich dieses Combo-System bis zum Spielende de facto ziemlich boykottiert habe. In der ersten Spielhälfte hab ich quasi alles mit der Combo X-X-X geregelt. In der zweiten Spielhälfte hab ich dann mein Gameplay hochgefahren und zusätzlich zu X-X-X auch die atemberaubende Combo Y-Y-Y genommen 😉 Das war quasi der größtmögliche Stinkefinger, den ich als Spieler dem Spiel zeigen konnte. Denn das Prügel-Gameplay hat echt rundum genervt. Für Spieler mit Sammel-Leidenschaft hatte man einen Haufen Collectibles im Spiel versteckt. Das war einigermaßen wertlos, und es war hackeschwer da irgendwas zu finden.
Also: Etwas mehr Deus Ex und weniger Beat ‚em up hätte dem Spiel gut getan. Denn selbst das (gute) Storywriting litt darunter. Zwei Beispiele: Der letzte Boss-Gegner im Spiel war offenbar nur deshalb ein Boss-Gegner, weil irgendjemand entschieden hatte, dass das Spiel mit einem Kampf enden müsse. Dabei waren wir uns storymäßig zu diesem Zeitpunkt mit dem Gegner eigentlich handelseinig. Es gab keinen plausiblen Grund, da dann noch einen Fight stattfinden zu lassen. Man hätte sich die Hand geben können und zur Tat schreiten können. Er wollte ja sterben. Immerhin war es aber nicht der schwierigste Boss-Kampf.
Anderes Beispiel: Zweimal im Spielverlauf muss die Hauptfigur einen großen Wach-Roboter im Alleingang besiegen. Kein normaler Mensch hätte diese Konfrontationen länger als zwei Minuten überlebt. Unsere Spieler-Figur schafft es natürlich trotzdem, weil sie eben eine heldenhafte Heldin ist, aber sicherlich auch weil sie eine abgebrühte Martial-Arts-Kampfmaschine ist. Da wirkt es dann ziemlich befremdlich, wenn sie kurz darauf ganz gefühlsduselig erklärt, dass ihr Geräusche und Geruch der Level-Umgebung unter die Haut gehen. Hallo? Du hast gerade im Alleingang einen Killer-Robot besiegt, ohne dir das Höschen einzunässen, aber schaltest quasi auf Knopfdruck um auf melancholisch, weil offenbar in irgendeinem Lehrbuch steht, dass man in heutigen Computerspielen auch feelings unterbringen muss?
Trotz des Ärgers über die Kämpfe hat das Spiel durchaus seine guten Momente. So wird das Thema Erinnerungen (und wie diese uns als Menschen dann formen) aus allen nur denkbaren Blickwinkeln beleuchtet. Im Grunde ist Remember Me die Geschichte eines mit guten Absichten gestarteten Familienunternehmens, das den handelnden Personen dann irgendwann entglitten ist. Wenn Familie Cartier-Wells gemeinsam zu der Erkenntnis kommt, dass man bei ihrer Firma deshalb besser jetzt als später den Stecker ziehen sollte, dann ist das hochemotional. An so einer Stelle ist dann auch reichlich Platz für Gefühle.
Sehr innovativ, aber leider im Spiel viel zu selten eingesetzt, war die Idee mit den Memory-Remixen. Unsere Heldin hat die Fähigkeit, in die Köpfe anderer Leute einzusteigen und deren Erinnerungen zu verändern. So konnte man zum Beispiel Leute glauben machen, dass sie gerade ihre Freundin erschossen hatten oder ihr Ehemann gestorben war, um die so manipulierten Peoples zu bestimmten Handlungen zu bringen. Dumm war nur die Idee, dass man den Spieler zum Vor- und Zurückspulen der Remix-Szenen kräftig am Gamepad-Stick kurbeln ließ 😉
Als Stimme der Hauptfigur hatte man die walisische Schauspielerin Kezia Burrows engagiert. Deshalb wird man im Spiel mit einem ulkigen englischen Akzent bespaßt… Man denkt lieber nicht darüber nach, wie dieser Akzent zu einem Spiel passt, das in Paris (Frankreich) spielt…
In Summe betrachtet kann ich nachvollziehen, warum sich Remember Me nicht so gut verkaufte. Es hat mit hausgemachten Mängeln zu tun. Für mich war das Spiel echt Arbeit. Ich kann es deshalb nicht wirklich weiterempfehlen. Wer die Story will, sollte sich einen kompetenten Youtuber suchen und dort zuschauen. Selber spielen hat nämlich hohes Frustrationspotenzial.