Nirgendwo in Schwerte (Ruhr)

"Eines Tages verreckt mir mal ein Zug auf freier Strecke". Darauf habe ich seit meinem Wehrdienstbeginn gewartet. Wer viel Bahn fährt, erlebt halt irgendwann eine kapitale Panne. Heute war es dann soweit. Die Rückfahrt von Ahlen war ohnehin schon chaotisch genug gewesen. Wegen Personenschaden mussten wir über irgendwelche Güterzuggleise von Hamm nach Dortmund schleichen. Kein Problem, ich habe genug Zeitpuffer in Dortmund, und so sieht man wenigstens mal was von der Welt. In Dortmund in den Sauerland-Express umgestiegen. Der Zug ist übrigens brechend voll. Neben mir ein enthemmtes Weib in den Mittvierzigern auf Sauftour nach Olsberg. Es ruckt zum ersten Mal nach rückwärts, als vorne noch eine zweite Triebwageneinheit angekuppelt wird. Sehr zu begrüßen. 13.42 Uhr. Abfahrtszeit. Der Meister möchte losfahren. Der Zug ruckt an, rollt aber in die falsche Richtung, und die Fuhre steht schon wieder. Neustart. Zweiter Versuch. Wieder ein Rohrkrepierer. Man denkt sich noch nichts böses, denkt allenfalls, ob der Meister wirklich so inkompetent ist, den Vorwärtsgang einzulegen.

Wir sind in Schwerte Ost, und die Fuhre kommt zum Stehen. Und steht. Und steht noch länger. Der Meister läuft telefonierend am Zug entlang. Irgendwas stimmt nicht. Der Motor geht aus. Ende, aus, vorbei. Mit dem Motor stellt natürlich auch die Klimaanlage die Arbeit ein. Fenster zum Öffnen gibt es nicht. Es wird wärmer. Irgendein Fahrgast kommt auf die verwirrte Idee, mit dem Nothammer eine Scheibe einzuschlagen. Macht er dann Gott sei Dank doch nicht. Needless to say, die Leute werden unruhig. Erste Klaustrophobiker und Hitzekranke melden sich zu Wort. Ich bereite mich schonmal gedanklich darauf vor, in dieser Ranzkarre sanitätsdienstlich tätig zu werden… Unser Standort hat einen Vorteil: Man kann die kaputte Einheit abhängen und stehenlassen, ohne die komplette Strecke zu verstopfen. Ein wenig Fahrgastinformation seitens des heldenhaften Triebfahrzeugführers wäre spätestens jetzt angebracht gewesen. Von unserer Evakuierung bekommen wir nämlich zunächst glattweg rein gar nichts mit. Aber der Mensch ist natürlich Herdentier… Also folgen wir einfach jeweils unserem Vordermann. Wie die Lemminge pilgern wir in Richtung vorderer Zugteil. Der ist nachdem alle drin sind sogar – welch Wunder – nicht völlig überfüllt. Vor allem findet mein kaputter Fuß einen Sitzplatz. Laufen mit dem Bänderanriss ist kein Problem, aber längeres Stehen schmerzt doch deutlich. Am Ende wird es eine knappe Stunde Verspätung sein, aber der Weg ist ja das Ziel. Was letztendlich kaputt war kann ich nicht sagen, denn der Meister verlor nicht ein einziges Wort über die Ursache an seine Fahrgäste. So haben alle am Ende einen guten Grund auf die Bahn zu schimpfen, sei es die Verspätung, die ausgefallene Klimaanlage, das Eingesperrtsein, die Informationspolitik, die Gesamtsituation oder die Mondphase. Man ist seinem schlechten Image mal wieder voll gerecht geworden.

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